Ein Diener des Volkes
Was würde Egon Bahr an seinem 100. Geburtstag heute sagen?
Ein guter Freund des viel zu früh verstorbenen gebürtigen Peiners Klaus Ness beginnt seine Texte in den sozialen Medien oftmals mit den Worten „Was würde Klaus sagen?“. Ness, der jahrzehntelang die Brandenburger Politik geprägt hat, war sowas wie der große Stratege der märkischen SPD. Was für Klaus Ness für Brandenburg galt, lässt sich auch eins zu eins auf Egon Bahr für ganz Deutschland übertragen. Bahr ist zwar kein Peiner, aber die dortige SPD hat ihr Parteihaus nach ihm benannt – und das noch zu seinen Lebzeiten. Ungewöhnlich, denn diese Ehre kommt sonst nur verstorbenen Parteimitgliedern zu. Bei Bahr machte man eine Ausnahme.
Egon Bahr ist 2015 verstorben und seine Stimme ist zu seinem 100. Geburtstag heute nicht mehr zu vernehmen. Das ist bitter, da das Thema, mit dem er Zeit seines Lebens in Verbindung gebracht wurde, die Ostpolitik ist. Sicherlich würde man lieber ihm zuhören als den zahlreichen Militärexperten, die uns mittlerweile tagtäglich über die aktuellen Entwicklungen des furchtbaren Krieges aufklären wollen. Ihr Ansinnen ist redlich, aber was tatsächlich hierbei fehlt, ist eine politisch-strategische Analyse bzw. eine Perspektive, wie es nun weiter gehen soll.
Wenn man Bahrs selbst verfasste Schriften und Bücher durchsieht, merkt man, dass Bahr niemals nur der etwas romantisierte „Ostpolitiker“ war, als den man ihn darstellt. Er beschreibt in seiner Biographie „Zu meiner Zeit“ seitenlang, wie er mit den Russen wochenlang für die Interessen Deutschlands verhandelt hat. Immer mit dem Ziel, die deutsche Teilung zu überwinden und das Leben für die Menschen besser zu machen. Seine späteren Werke „Deutsche Interessen“ und „Der deutsche Weg“ sind schon im Titel politisches Programm. Bahr war immer Patriot und ein echter „Diener des Volkes“. Letzteres ist der Titel der gleichnamigen Serie, mit der der jetzige Präsident der Ukraine vor der Wahl bekannt wurde. Was würde der „Ostpolitiker“, der Auge in Auge mit den Russen so hart verhandelt hat, also jetzt sagen?
Die Frage ist tatsächlich aus mehreren Gründen schwierig zu beantworten. Bahr war zwar immer irgendwie Realpolitiker, stellte sich aber damals auch gegen den NATO-Doppelbeschluss unter Helmut Schmidt. Wahrscheinlich würde er in seiner knarzigen Art raten, dass man Geheimdiplomatie machen müsste, dass man sog. Back-Channels nutzen muss und vielleicht auch, dass man unbedingt Stärke als Westen zeigen muss. Nur ist das Russland von heute nicht mehr die vielleicht etwas rationaler operierende Sowjetunion aus Bahrs Zeit.
Wahrscheinlich bräuchte es heute eine Mischung aus Egon Bahr und Helmut Schmidt, den Bahr als Freund bezeichnet hat. Um es in eine Formel zu bringen: Vielleicht wäre tatsächlich „Wandel durch Abschreckung“ Bahrs Rat. Wobei das eine Abkehr von seinem friedenspolitischen Konzept der „Gemeinsamen Sicherheit“ wäre. Aber Egon Bahr war immer seiner Zeit voraus.
Mir selbst bleiben zwei Geschichten zu Egon Bahr in Erinnerung: 2004 habe ich ihn das erste Mal in der damaligen Peiner Buchhandlung Gillmeister zu einer Lesung getroffen und war sofort beeindruckt von diesem körperlich zwar kleinen, aber geistig mehr als großen Menschen. Die zweite Geschichte kenne ich nur aus Erzählungen. Unser Bundesarbeitsminister und Peiner Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil ist 2005 SPD-Generalsekretär geworden. Ich durfte damals in seinem Wahlkreisbüro arbeiten. Er erzählte dann von seinem ersten Arbeitstag und dass ihm seine Mitarbeiterin mit den Worten „Gut, dass Du da bist Hubertus.“ begrüßte. Es war zwar erst 7 Uhr, aber Egon Bahr saß wohl schon eine halbe Stunde dort, um wichtige Tipps zu geben.
Er war ein „Diener des Volkes“. Seine Stimme fehlt. In der heutigen Zeit wird das umso deutlicher.
Meine persönliche Top 5 zu Egon Bahr:
Ostpolitik – Das zentrale Thema:
Zeit seines Lebens und danach wurde Egon Bahr immer mit dem Begriff Ostpolitik verbunden. Damit wird grundsätzlich die Neuausrichtung der bundesrepublikanischen Außenpolitik in den 60er und 70er Jahren bezeichnet. Bahr hatte diese bereits in einer Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing 1963 skizziert. Es ging dabei im Kern um eine Abkehr der reinen Abschreckungslogik von NATO und Warschauer Pakt-Staaten hin zu einer neuen Entspannungspolitik, um damit auch die sog. Deutsche Frage (Teilung Deutschlands) zu lösen. Die Ostpolitik war in Deutschland nicht unumstritten, da sie insbesondere auch die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und somit auch die endgültige Abtretung der ehemaligen deutschen Ostgebiete beinhaltete. Bahr und vor allem Willy Brandt wurden hierfür massiv von den Unionspartien, Vertriebenen-Verbänden und der Springer-Presse angegriffen. Bahrs Logik hierbei war: Es wurde sowieso nur das offiziell anerkannt, was ohnehin politische Realität war und nicht mehr zu ändern ist. Ziel musste aber weiterhin die Deutsche Einheit bleiben. Ostpolitik hatte danach eine lange Tradition in der SPD und wurde bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine immer auch als zentrale politische Strategie gesehen. Diese ist angesichts der tagtäglichen Gräuel in der Ukraine aber mehr als gescheitert. Wie es weiter gehen soll, ist nicht einmal in Ansätzen klar.
Gemeinsame Sicherheit – Seiner Zeit voraus:
Bahr war nicht nur Politiker, sondern war als Mitglied der sog. Palme-Kommission (benannt nach dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme) und später als Direkter des Instituts für Frieden und Sicherheit Hamburg (IFSH) maßgeblich an wissenschaftlichen und politikberatenden Schriften beteiligt. Ein Studienfreund arbeitet am IFSH und in einem längeren Gespräch mit ihm zu diesem Text verwies er mich noch einmal auf das Konzept der „Gemeinsamen Sicherheit“. Dieses wurde als Gegenpol zur Abschreckungslogik und dem Wettrüsten des Kalten Krieges entwickelt. Abrüstungsfragen wurden dabei ausdiskutiert und umgesetzt, dazu gehörige Verträge wurden unterzeichnet und neue Institutionen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE, bekannt durch die Wahlbeobachtungs-Missionen) mit Sitz in Wien wurden geschaffen. Ziel war dabei immer, einen Gesprächsfaden zur Sowjetunion und den Warschauer Pakt-Staaten aufrechtzuerhalten und auszubauen. Russland wurde diese Woche aus dem Europarat – einer weiteren Organisation, die den Schutz der Menschenrechte als Kernaufgabe hat – ausgeschlossen. Auch bei der OSZE wird es eine Frage von sehr kurzer Zeit sein, bis Russland hier nicht mehr Mitglied ist. Und dann kann sich diese Organisation eigentlich auch auflösen. Dieser Meinungstext dazu ist vor Kriegsbeginn erschienen. Das was Egon Bahr und seine MitstreiterInnen jahrzehntelang aufgebaut haben, wird durch die russischen Panzer und Raketen einfach hinweggefegt.
Musik – Boys Cry und „Der glückliche Spion“:
Eine der beeindruckendsten Szenen, die sich im kollektiven Gedächtnis Deutschlands eingebrannt hat, ist die Reaktion von Egon Bahr auf die scheinheiligen Worte Herbert Wehners zum Rücktritt Willy Brandts. Er hat geweint. Entgegen der Titelzeile des Songs „Boys don´t cry“ von The Cure hat Bahr das gemacht, was von Männern eigentlich nicht erwartet wird. Er hat geweint. Öffentlich. Brandt hat über Egon Bahr gesagt, dass wenn er einen Freund hatte, dann Egon. Der Song „Der glückliche Spion“ der Liga der gewöhnlichen Gentleman passt hervorragend in diese Zeit und auch für Bahr selbst.
Filme – Der Spion und der Geheimdiplomat:
Zwei Filme lohnen sich, die man immer wieder anschauen kann. Der ARD-Zweiteiler „Im Schatten der Macht“ von 2003 zeigt in fiktionaler Aufbereitung die Guillaume-Affäre, die zu Brandts Rücktritt führte. Fachlicher Berater von Regisseur Oliver Storz war Hermann Schreiber, der mit „Kanzlersturz“ ein umfassendes Buch hierzu geschrieben hat. Kuriosum: Matthias Brandt, Willy Brandts Sohn, spielt den Guillaume. Der zweite Film ist „Der Geheimdiplomat“ und widmet sich Bahr selbst. Wie er wochenlang in Moskau verhandelt, ohne der Presse auch nur in Ansätzen zu sagen, wie es läuft, ist beeindruckt. Aber heute in Zeiten von Twitter, anderen sozialen Medien und der Tatsache, dass jeder einfach irgendwelche Texte über derartige Themen ins Netz stellen kann (siehe diesen Text), ist das kaum vorstellbar.
Minister für besondere Aufgaben:
Im zweiten Kabinett Willy Brandts wurde Egon Bahr zum Minister für besondere Aufgaben (1972-194). Welcher politisch interessierte und engagierte Mensch würde sich nicht über diesen Titel freuen?
Die Friedrich-Ebert-Stiftung widmet Egon Bahr ein zweitägiges Symposium, bei dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz spricht. Bahr hat in der Stiftung 20 Jahre lang im Vorstand mitgewirkt. Weitere Infos und auch eine kleine Auswahl zu den zahlreichen Quellen finden sich hier:
Egon Bahr 100:
Kommentierte Quellen – Ein weites Feld:
„Es ist ein weites Feld.“ Mit diesen Worten Fontanes aus den „Buddenbrocks“ lässt sich wirklich vieles beschreiben. Aber es passt auch sehr deutlich zu den Quellen von und über Egon Bahr. Günter Grass, der wie kaum ein anderer deutscher Intellektueller mit Brandt und Bahr verwoben ist, hat diesen Titel auch für ein 1995 erschienenes und höchst umstrittenes Werk über eine deutsch-deutsche Geschichte verwendet. Ein tunesischer Cousin hat mir mal voller Stolz ein Bild von ihm mit Grass gezeigt. Ich wusste natürlich, wie bedeutsam dieses Bild für ihn als tunesischen Schriftgelehrten und Journalisten war. Den TunesierInnen selbst war das nicht so klar.
Ich habe mich nicht getraut, ihm zu sagen, dass ich nie ein Buch von Grass komplett gelesen habe. Ich habe es mal mit der „Blechtrommel“ versucht, aber, sorry, ich konnte dieses furchtbare Buch einfach nicht lesen. Es muss wohl ein bisschen so sein, wie als wenn man ein Bob Dylan-Konzert besucht. Eigentlich ist es der Godfather, aber wenn man das live mit allen Verquerungen und Eigenarten Dylans erlebt, will man wahrscheinlich wieder gleich nach Hause. Zu den „Buddenbrocks“ kann ich tatsächlich und ausnahmsweise mal sagen, dass ich es komplett gelesen habe. Gleiches gilt für viele Werke von und über Egon Bahr. Es folgt daher der Versuch einer Werkschau mit kurzen eigenen Einschätzungen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Primärquellen von Egon Bahr selbst geschrieben:
Zu meiner Zeit (1996), Berlin: Wolf Jobst Siedler Verlag, Jubiläumsausgabe von 1999.
- Mein Freund Marco hat für seine Doktorarbeit über die Außenpolitik von Franz Josef Strauß Egon Bahr interviewt. Er hat zu dem Gespräch dankenswerterweise meine Ausgabe dieses Buches mitgenommen und von Bahr für mich widmen lassen. Ich war bei Marcos Verteidigung seiner Doktorarbeit dabei. Über das dort Geschehene haben wir den Mantel des Schweigens vereinbart. Nur so viel: Für einen Sozialdemokraten wie mich war es – um es vorsichtig zu formulieren – nicht ganz einfach, einer kritischen Würdigung der Außenpolitik von FJS beizuwohnen. „Zu meiner Zeit“ ist jedenfalls nicht nur eine wunderbar geschriebene Autobiographie, sondern auch ein brillanter Einblick in die bundesrepublikanische Geschichte, deren Teil Bahr war.
Deutsche Interessen. Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik (1998), Berlin: Siedler Taschenbücher, durchgesehene und erweiterte Taschenausgabe 2000.
- Spannend ist das Buch nicht nur wegen des durchaus provokanten Titels. Die Taschenbuchausgabe wurde 2000 von Bahr noch einmal überarbeitet. Im Vorwort hierzu schreibt Bahr selbst: „Das Land hat eine neue Regierung und zum ersten Mal an einem Krieg teilgenommen.“ Jetzt hat das Land wieder eine recht neue Regierung und es herrscht Krieg in Europa. Eine weitere Fortschreibung wäre höchst interessant gewesen.
Der deutsche Weg. Selbstverständlich und normal 2003, München Karl Blessing Verlag.
- Hier gibt Bahr eine klare Einordnung zum Irak-Krieg und der deutschen Ablehnung desselbigen ab. „Deutsche Interessen“ und „Der Deutsche Weg“ können durchaus als sich gegenseitig ergänzende Werke gelesen werden. In dem einem hatte sich Deutschland gerade am Krieg in Ex-Jugoslawien beteiligt. Im Irak stemmte man sich gegen die Logik des Krieges der damaligen US-Regierung, was in der „Der Deutsche Weg“ zentrales Thema ist. Maßgeblich beteiligt hieran waren ein gewisser Gerhard Schröder und Russland war hier Gegner des Krieges. Über die unselige Rolle Schröders in der jetzigen Situation brauchen wir nicht weiter zu diskutieren. Sein Verhalten ist indiskutabel und schädlich. Aber das Deutschland nicht am Irak-Krieg mitgemacht hat, hat er auch zu verantworten.
Gedächtnislücken, zusammen mit Peter Ensikat (2012), Berlin: Aufbau Taschenbuch 2013.
Ostwärts und nicht vergessen. Politik zwischen Krieg und Verständigung, (2012), Freiburg, Basel, Wien: Herder 2015, herausgegegeben und bearbeitet von Dietlind Klemm.
Das musst Du erzählen. Erinnerungen an Willy Brandt (2013), Berlin: List Taschenbuch 2015, 2. Auflage.
- Diese drei Bücher habe ich tatsächlich für die Recherche zu diesem Text neu erworben. Es gibt sicher noch viel mehr, was von Bahr geschrieben wurde und immer noch spannend zu lesen ist.
Mehr als ein Krisenmanager (2015), Gastbeitrag im Handelsblatt vom 11.11.2015. online mit Paywall einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
- Mit diesem Text über Helmut Schmidt endete Bahrs bis zum Tode immer kreatives Leben. Der Text wurde erst nach Bahrs Tod abgedruckt.
Zeitungsartikel, Interviews und weitere Netzfunde:
100. Geburtstag Egon Bahr – Willy Brandt nannte ihn „Metternich“ (2022), vom 18.03.2022, Feature von Bert-Oliver Manig aus der Serie „Das Kalenderblatt“ beim Deutschlandfunk, online einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
100. Geburtstag von Egon Bahr (2022), Interview aus dem Jahr 2013 von Bremen Zwei, wiederausgestrahlt und kommentiert, online einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
Back Channel. Am Sonntag wird Egon Bahr 90 (2012), Beitrag der AG Friedensforschung von Arnold Schölzel, abgedruckt in: Junge Welt 17.03.2012, online einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
Ein sensibler Mensch. Egon Bahr im Deutschlandfunk Gespräch mit Gabi Wuttke über Helmut Schmidt (2008), online einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
Zum 100. Geburtstag von Egon Bahr: Im Angesicht der Aggression gegen die Ukraine, Beitrag von Dieter Klein im Rahmen des Open Source-Projekts der Berliner Zeitung, online einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
Über Egon Bahr und die SPD:
Herrmann Schreiber, Kanzlersturz. Warum Willy Brandt zurücktrat (2003), München: Ullstein, Heyne, List.
Franz Walter, Die SPD. Biographie einer Partei (2002/2018), Reinbeck Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2018, überarbeitete und erweiterte Taschenbuchausgabe 2018.
- Mein schon oben aufgeführter Freund Marco hat mir irgendwann diese neue Auflage des Klassikers von Franz Walter geschenkt. Die Ausgabe von 2002 steht schon sehr lange bei mir im Schrank. Bald wird es wieder Zeit für ein neues Kapitel mit dem dritten sozialdemokratischen Kanzler der Republik. Egon Bahr hätte sich bestimmt darüber gefreut.
Hubertus Heil, Meine Erinnerungen an meinen guten Freund Egon Bahr (2022), vom 16.03.2022. einsehbar unter diesem Link: (zuletzt eingesehen am 19.03.2022).
Und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später:
Wer sich bei alledem bis hierhin durchgelesen hat, hat viel hinter sich. Aber jetzt kommen zum Ende dafür auch ein paar kritische Worte. Es gibt zwei Punkte, über die man durchaus intensiv diskutieren kann bzw. vielleicht sogar kritisch diskutieren muss: Erstens ist es angesichts des Ukraine-Krieges der durchaus verklärte Blick auf die „Ostpolitik“, die von den sog. Russland-Freunden in der SPD auch immer als Feigenblatt für ihr Tun genutzt wurde. Zweitens ist es der fast schon nationalistisch klingende Ton Bahrs der letzten Jahre, in denen er sogar der „Jungen Freiheit“ ein Interview gegeben hat. Beide Komplexe sind tatsächlich im langen Schaffen Bahrs kritisch zu hinterfragende Aspekte. Aber dafür ist es jetzt leider zu spät.
In meiner Zeit bei Hubertus Heil im Büro hatten wir immer die Idee, im Egon-Bahr-Haus der Peiner SPD eine Kneipe aufzumachen (das Haus war früher auch eine). Der Name wäre dann „Egons Bar“ gewesen. Ich bin mir sicher, wenn wir das gemacht hätten, hätte Egon Bahr auch dort zu diesen kritischen Punkten pointiert Stellung bezogen. Das ist leider nicht mehr möglich.
Wenn Ihr Euch etwas humorvoller mit dieser Zeit beschäftigen möchtet, empfehle ich dieses „Sittengemälde“.