Who you gonna call??? Das Erbe der Ghostbusters ("Legacy") nach dem Leben ("Afterlife")
 
1989 feierten zahlreiche Kinder unserer Generation ihre Geburtstage mit dem Besuch von Kinofilmen und anschließendem Pommes-Essen. Wenn man Glück hatte, gab es „Batman“, „Asterix bei den Briten“ oder die „Unendliche Geschichte 1 oder 2“. So richtig Pech konnte man da noch nicht haben. Matthias Schweighöfer war zu dem Zeitpunkt vielleicht selbst noch Kinogänger und – es sei dabei allen dunklen und hellen Mächten gedankt – noch nicht selbst auf der Leinwand zu sehen. Wenn man dann aber richtig viel Glück hatte, konnte man „Ghostbusters 2“ sehen und es war meistens um einen geschehen. Der erste Teil erschien schon im Jahr 1984 und für Kinder, die um 1980 herum geboren wurden, etwas zu früh. Das musste dann im Privatfernsehen (gerne sonntags auf Kabel 1) oder auf VHS nachgeholt werden. Und das wurde es. Und zwar mehrfach. 
 
Dieser Tradition folgend hat sich unsere kleine Gruppe mit dem Titel „NurBestesArthouseKino“ aufgemacht, um den Geburtstag eines Gruppenmitgliedes nachzufeiern und den neuen Ghostbusters-Film zu schauen. Statt Pommes gab es Bier in großen Gläsern bei der anschließenden Redaktionskonferenz zur Vorbereitung dieser Rezension. Auch hier muss gesagt werden, dass eine kritische Rezension hier nicht leicht gelingt. Wenn man 30 Jahre damit aufgewachsen ist, fällt es selbst unserem größten Kritiker in der Gruppe wirklich schwer, die Haare noch im Geisterschleim zu finden. Fangen wir damit aber gleich mal an. 


Schaut Euch den Trailer an. Achtung auch hier einige Spoiler.

Der Versuch von Kritik vorweg

Der erste Kritik-, aber auch gleichzeitig der erste Diskussionspunkt ist der Titel. Auf Deutsch heißt der neue Geisterjäger-Arthouse-Film „Ghostbusters: Legacy“, was so viel wie Erbe, Vermächtnis und Hinterlassenschaft zu gleich heißt. Der englische Titel lautet „Ghostbusters: Afterlife“. Welcher deutsche Produzent jetzt warum darauf gekommen ist, einen englischen Titel bei der deutschen Veröffentlichung in einen englischen Titel zu „übersetzen“, können wir nicht eindeutig beantworten. Eine Vermutung ist, dass derjenige vielleicht Basketballfan ist. Eine in der Basketballszene heiß diskutierte Frage ist seit Jahren, wer denn jetzt an die „Legacy“ von Michael Jordan reichen könnte. Das ist allerdings eine Debatte, die, wie bei den Geisterjägern, nicht wirklich weiterführt. Die Orthodoxen unter ihnen sagen, dass eigentlich nur Ghostbusters Teil Eins zählt! Die mit 90er Basketball aufgewachsenen Jordan-Jünger würden eher ihre Ehefrau abgeben, als zuzugeben, dass irgendjemand an „His Airness“ rankommt. Sei´s drum: Im Verlauf dieses Textes wird sich zeigen, dass tatsächlich beide Titel Sinn ergeben (im Englischen darf man „It makes sense“ sagen, im Deutschen heißt es Sinn ergeben!). Zur Vereinfachung und um Euch nicht noch mehr zu verwirren (über den letzten Ghostbusters-Film von 2016 haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen und tun das auch nicht!) werden wir jetzt einfach „Ghostbusters 3“ schreiben. Auch das klärt sich am Ende dann auf.

Die zweite Kritiklinie betrifft die Storyline. „Ghostbusters 3“ erzählt eigentlich die gleiche Geschichte wie „Ghostbusters 1“, an einem anderen Ort, mit anderen Charakteren. Da könnte man schon sagen, alles schon gesehen. Nothing New! Da soll mit der Franchise noch einmal richtig Kasse gemacht und der letzte Fan noch einmal richtig gemolken werden. Tatsächlich lässt sich diese Kritik aber nicht halten.

Du bist im Knast, hast einen Anruf frei: Wen rufst Du an?
Aber fangen wir vielleicht mit einem ganz kurzen Abriss darüber an, um was es überhaupt geht. Ein Beispiel aus dem aktuellen Film hilft vielleicht dabei. Phoebe (McKenna Grace), ein 12-jähriges Mädchen und grandioser Hauptcharakter im Film, hat gerade mit ihrem Bruder Trevor (Finn Wolfhard, mit 80er-retro Erfahrung aus „Stranger Things“) und Freund „Podcast“ (heißt wirklich so und ratet, was sein Hobby ist) Geister in einer Kleinstadt im amerikanischen Hinterland gejagt und dabei gegen ein paar Gesetze verstoßen sowie Teile der Stadt zerstört. Die Polizei hat die drei dafür erstmal auf die Wache gebracht. Entscheidender Anlass war der fehlende Führerschein des 15-jährigen Bruders. Sie hat dann einen Anruf frei. Jetzt könnt Ihr Euch alle selbst die Frage stellen: Who you gonna call? Phoebe entscheidet sich für Ray Stantz, Freund und Geschäftspartner ihres vor kurzem verstorbenen Großvaters Egon Spengler. Die zwei waren zusammen mit zwei anderen Männern in den 80ern die „Ghostbusters“ und haben zweimal New York und damit die Welt vor dem Untergang und der Machtübernahme durch übernatürliche Geisterwesen gerettet. Jetzt kommt der Punkt, wo Ihr, wenn er Ihr mit der Franchise nicht vertraut seid, vielleicht denkt: Geister? Bitte? WTF? Die originalen Geisterjäger sind aber Wissenschaftler! Und wer zweifelt heutzutage schon an Wissenschaft? Ihr ahnt es vielleicht ein bisschen jetzt. Die Welt droht wieder unterzugehen und jemand muss das verhindern.

Eine Kurzzusammenfassung mit einigen Spoilern
 
Wem diese Aufgabe zufällt, sollte mit der Beschreibung der obigen Szene ja schon klar geworden sein: Dieses Mal ist es keine Truppe Outlaw-Wissenschaftler mit Doktorgrad, sondern eine Gruppe von Teenagern um Phoebe und Trevor, die den Durchbruch des bösen Gozer (der Vernichter!) in unsere Welt und die damit einhergehende Apokalypse verhindern müssen. Dabei handelt es sich im ziemlich wörtlichen Sinne um ein Familienerbe – Phoebe und Trevor haben nämlich gezwungenermaßen zusammen mit ihrer Mutter die im Niemandsland des amerikanischen Hinterlandes gelegene Farm des verstorbenen Egon Spengler bezogen, der sich nicht nur von seiner Tochter sondern auch den ehemaligen Kollegen mit scheinbar wirren Warnungen vor einem erneuten Weltuntergang ausgehend von dieser „Smalltown, USA“ entfremdet hatte. Schnell wird natürlich klar, dass die Gefahr ganz real ist und von Egon jahrelang im Alleingang in Schach gehalten wurde. Mit Hilfe des alten Equipments (Kinder der 80er werden mit Freuden an ihr altes Spielzeug erinnert, Kinder der 2010er haben möglicherweise schon die upgedateten Versionen von Playmobil und Lego bekommen und sich gewundert, warum Papa sich die Gefährte(n) so oft selbst ausleiht) und neuen Freunden stellen Phoebe und Trevor sich der Gefahr entgegen. Die Bausteine der Story sind wie schon gesagt bekannt, der Kniff, dass diesmal Teenager die Hauptrollen übernehmen, erweitert das Retro-Feeling allerdings nochmal auf eine Meta-Ebene, ist diese Konstellation („E.T.“, „Stand By Me“, „Die Goonies“) doch mindestens genauso 80er wie die Ghostbusters selbst. Am Ende, das wäre auch ohne Spoilerwarnung nicht schwer zu erraten, wird das Böse schließlich mit der vereinten Kraft der Geisterjäger-Generationen zurückgeschlagen – und ja, wer Männer zwischen 40 und 50 im Kino mit Tränen in den Augen sehen will, kann das mit Sicherheit in fast jeder Vorstellung erleben.
 
Afterlife oder Legacy?
Wie Ihr in der Zusammenfassung der Ereignisse gesehen habt, hat dieser Film – um auf die bereits unterschiedlichen Titel in Deutsch und in Englisch zurückzugreifen – beides: Er ist sowohl „Legacy“, spielt aber auch im „Afterlife“. Legacy, weil hier tatsächlich ein seltenes Kunststück gelungen ist: Die ehemaligen Helden geben ihr Erbe an mehr als legitime Nachfolger:Innen weiter. Phoebe und Co. stehen den Original-Geisterjägern in Sachen Komik, Zusammenspiel und Wissenschaftlichkeit in nichts nach! Mehr noch, sie transportieren das Jenre würdevoll in eine neue Zeit. Das ist bei wenigen Franchises gelungen. Bei Star Wars etwa hat das bekanntermaßen nicht so richtig geklappt. Statt die alten Recken ein letztes Mal gemeinsam in den Kampf zu schicken, um dabei den Staffelstab an die Nachfolger weiterzureichen, entschied sich Disney dazu, diese jeweils einzeln in jeweils einem Film der Episoden 7 bis 9 sterben zu lassen. In Filmschulseminaren mag man damit ein Sternchen bekommen, als Fan will man das wirklich nicht sehen. „Ghostbusters 3“ zeigt, wie man es richtig macht – wobei es eine Parallele zu Star Wars durchaus gibt: Dort gibt es nämlich das Konzept der Machtgeister. Das sind verstorbene Jedi-Ritter, die als – in diesem Fall gute – Geister zurückkehren. Das Konzept wurde hier, Stichwort „Afterlife“, zugegebenermaßen recht schamlos auf Egon Spengler übertragen.

Diesen rührenden Abschied in Worte zu fassen, fällt tatsächlich sehr schwer. Schließlich ist dessen Darsteller Harold Ramis schon vor einiger Zeit auch im wahren Leben verstorben und hat hier (dank überzeugender Film-Magie) noch einmal posthum einen großen Auftritt. Dan Aykroyd, der den Ray Stantz spielt, musste damit schon das zweite Mal den Tod eines kongenialen Schauspielerpartners verkraften. 1980 spielte er zusammen mit John Belushi in einer weiteren Paraderolle: beide waren die „Blues Brothers“. John Belushi ist bereits 1982 verstorben. Aykroyd selbst hat zusammen mit Bill Murray so etwas wie die kreative Hoheit über das „Ghostbusters“-Franchise. Beide hätten es wohl nicht mehr nötig, hier noch so viele Mühe reinzuinvestieren. Aber Bill Murray zum Beispiel ist sich nicht zu schade, in Cameo-Auftritten wie in dem Film „Zombieland“ die alte Geisterjäger-Rolle einfach wieder zu spielen bzw. sich dabei auch noch über sich selbst lustig zu machen. Mit den wirklich großartigen Nachwuchsschauspielern McKenna und Co haben sie jetzt auch außerhalb des Film-Universums würdige Nachfolger:Innen gefunden, denen man eine weitere Fortsetzung ohne Weiteres zutrauen kann. Wie fanden wir also den legitimen Nachfolger „Ghostbusters 3“ nun in der Gesamtschau?

…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
 
Nach den obigen Zeilen kann das natürlich nur eine rhetorische Frage sein – „Ghostbusters: Legacy/Afterlife“ ist als das was er ist in nahezu allen Bereichen perfekt. Wie beschrieben kann man mit Film-Nostalgie kaum besser umgehen, darüber hinaus kann er aber auch als Film an sich überzeugen: Die Darsteller sind perfekt gecastet und haben sichtlich Spaß an ihren Rollen (allen voran „Ant-Man“ himself, Paul Rudd), Musik und Bilder sind toll, die Effekte sind krachend, erzeugen aber keine seelenlosen CGI-Schlachten wie sie leider mehr und mehr Standard in Jenre-Filmen werden. Das Wichtigste aber: Die Geschichte sollte auch ohne Nostalgiefaktor funktionieren, denn da die Protagonisten zunächst selbst keine Ahnung von den Heroen der 80er haben, können jüngere Zuschauer mit diesen gemeinsam das Erbe der Geisterjäger entdecken (während sich die Eltern derweil an den gefühlt tausend Anspielungen auf die alten Filme erfreuen). In diesem Sinne bringt „Ghostbusters 3“ nicht nur im Film die Generationen zusammen, sondern auch im Kinosaal – und erfüllt damit eine weitere 80er-Jahre Eigenschaft: „Ghostbusters 3“ ist nämlich ein echter Familienfilm! 
 
Autoren: Dr. Michael Spengler, Mr. Robert Stantz und  Prof. HC Anis Venkman
 
 
Kleiner Tipp am Ende: Bevor Ihr den Film schaut, kauft Euch eine Packung Marshmallows vorher. Es könnte sein, dass Ihr im Anschluss an „Ghostbusters 3“ Lust verspürt, welche zu rösten. Und dann ist der Supermarkt zu oder gar von Geistern übernommen. 


Lauf, wenn Du kannst!