Guardians of the Galaxy 3: The Soundtrack of Intergalactic Lives 

Im dritten Teil der Space Cowboys-Trilogie gelingt Disney (endlich) wieder mal – nicht nur musikalisch – ein Meisterstück. 

 

Die Maschine ist gut geölt und läuft und läuft. Seitdem Disney die Rechte an Marvel und Star Wars hat, können wir uns vor Neuveröffentlichungen kaum retten. Irgendwie funktioniert das Ganze mittlerweile nach dem Hit-and-miss-Prinzip: Es wird so viel Zeugs produziert, irgendwas wird schon gut sein, denk man sich bei diesem Maß an Output. Da verlieren die vielleicht nicht so ganz tief drinsteckenden Zuschauenden leicht den Überblick. Wir helfen aber gern! 

 

Wenn Ihr Euch also nicht in eher belanglosen bis teilweise wirklich schlimmen Erzeugnissen  wie etwa „She-Hulk“ oder „Thor: Love and Thunder“ bei Marvel oder „Book of Boba Fett“ und „Kenobi“ bei Star Wars verlieren wollt, empfehlen wir Euch, Leuten zu vertrauen, die sich – warum auch immer – weiterhin kritisch-affirmativ mit dem ganzen Kram auseinandersetzen. Diesmal waren wir wieder nur für Euch im Kino und haben „Guardians of the Galaxy 3“ geschaut. Es ist auch hier wie bei Tony Stark in „Avengers: Endgame“: Opfer müssen gebracht werden, um bei dem ganzen Mist in der Welt das Gute rauszufiltern. Aus großer Macht wächst große Verantwortung. 

 

Electric Mayhem und the Soundtrack of our Lives 

Recht parallel zum Kinostart hat Disney auf dem eigenen Streamingdienst eine kurzweilige Serie veröffentlicht, die auch wieder Teil eines aufgekauften Franchises ist (natürlich rebootet man hier auch die Eigengewächse wie zum Beispiel einen neuen Film über Peter Pan). Die Hausband der Muppet-Show, „Dr. Teeth and the Electric Mayhem“, soll in „Muppets: Mayhem“ ihr erstes eigenes Album aufnehmen und es entwickelt sich – nunja – zu einem recht komplexen Unterfangen. Wenig überraschend, wenn eine Band das „Tier“ als Schlagzeuger hat, aber das ist bei Weitem nicht der einzige herausfordernde Charakter der Truppe. Wichtig für diese Besprechung zum neuen Guardians-Film ist aber, dass im Fokus der Mayhem-Serie natürlich die Musik steht. 

 

Und spätestens seitdem wir aus Teil eins der „Guardians of the Galaxy“-Geschichte wissen, dass Peter Quill a.k.a. „Starlord“ von seiner Mutter einen Walkman und passende Tapes (für die Jüngeren: Das sind so genannte Kassetten. Später kriegt er auch einen MP3-Player. Heute würde man sagen, die Spotify-Playlist auf dem IPhone 27 oder so ähnlich) bekommen hat, ist klar, dass der Soundtrack für die Filme essentiell ist. In wunderbaren Mischungen aus 70/80er Klassikern, One-Hit-Wonders und passenden Songs der Neuzeit, sind die beiden ersten „Guardians“-Sampler wunderbare Ansammlungen emotionaler Songs. Und so ist es auch bei Teil drei! Die Soundtracks sind die „Soundtracks of our Lives“, wie eine gleichnamige frühere Band und wahrscheinlich gleich mehrere Podcast-Formate heißen, für unsere Beschützer der Galaxis in ihren Abenteuern. Und von denen gab es schon ein paar im Marvel-Kosmos. 

Was muss man wissen? 

Die wirklich gute Nachricht ist: Eigentlich gar nicht so viel! Wir haben schon an mehreren Stellen darüber berichtet, dass es wahrscheinlich nicht mehr möglich ist, komplett den Überblick im Marvel-Kosmos zu behalten. Und wir reden hier erst einmal nur von dem Film- und Serienmaterial, nicht von den Comics. Es sind mittlerweile 32 Filmen und 9 Serien – allein im Marvel Cinematic Universe (MCU) jetzt bei Disney! Zahlreiche andere Serien wie „Agents of S.H.I.E.L.D“ oder „Daredevil“ und Site-Projects gar nicht mitgerechnet. 

 

Dazu kommt noch die Herausforderung, dass wichtige Handlungsstränge teilweise in Post-Credit-Scenes oder sogar in Easter Eggs im Film versteckt werden oder auch Verbindungen von Filmen und Serien gezogen werden, wie zum Beispiel bei „WandaVision“ und „Dr. Strange 2“ . Die Tatsache, dass neben den sog. „Origin-Storys“ zu den einzelnen Charakteren das Ganze dann in den großen Gesamt-Ensemble-Filmen wie allen vier „Avengers“-Filmen mündet, führt zu weiteren Verwirrungen. Dann spielen einige Filme noch vor diesen Ereignissen (siehe zum Beispiel „Black Widow“), danach („Black Panther: Wakanda Forever“) oder das gesamte Raum-Zeit-Kontinuum wird mithilfe des MultiVerse gleich ganz durchbrochen („Spiderman: No Way Home“). Seid Ihr jetzt verwirrt? 

 

Kein Problem, denn „Guardians of the Galaxy 3“ kann man im Prinzip wahrscheinlich sogar einfach so im Kino sehen und genießen, ohne je einen Marvel-Film gesehen zu haben. Es hilft allerdings natürlich deutlich, Teil 1 und Teil 2 zu kennen, sowie zumindest das große Crossover in „Avengers: Endgame“, um die Entwicklung der Charaktere zu verstehen. Aber ganz kurz gefasst geht es auch so: Eine verrückte Truppe, bestehend aus dem schon erwähnten „Starlord“, einem sprechenden Baum namens „Groot“, einem begriffsstutzigen Kraftpaket namens „Drax, der Zerstörer“, zwei Schwestern, die meistens unfassbar wütend oder schlecht gelaunt oder oftmals auch beides zugleich sind („Gamora“ und „Nebula“), einer zu Telepathie, aber nicht wirklich zur Empathie fähigen Außerirdischen namens „Mantis“ und einem – nach Teil 3 wissen wir es endlich auch offiziell – Waschbären namens „Rocket“, fliegt durch das Weltall, erfüllt Missionen, bekämpft Bösewichte und hört dabei unfassbar gute Musik. So ein bisschen wie das „A-Team“ im Weltall. „Sie wollen nicht so ganz ernst genommen werden, aber ihre Gegner müssen sie ernst nehmen. Also, wenn sie mal ein Problem haben und nicht mehr weiterwissen, dann suchen Sie doch“ die „Guardians of the Galaxy“!

Handlung und Familienaufstellung 

Wir beginnen auf dem „Planeten“ (irgendwie ist das eigentlich ein riesiger Kopf eines außerirdischen Wesens, aber wissen auch wir nicht mehr so ganz genau) „Knowhere“, der neuen Heimat unserer Guardians. Um das zu verstehen, lohnt sich vielleicht doch noch einmal ein kurzer Blick in das „Guardians of the Galaxy: Holiday Special“. Was sich definitiv nicht lohnt, es sei denn man hat sowieso nicht genügend WTF-Momente im Leben, ist der vierte „Thor“-Film „Love and Thunder“. Das Einzige, was man hier für die Guardians-Storyline wichtige erfährt, ist die Tatsache, dass „Thor“ nicht mehr dabei ist. Am Ende von „Avengers: Endgame“ hatte sich Thor den Guardians („Asguardians“ als Anspielung auf Thors Heimatplaneten „Asgard“) angeschlossen, bzw. wollte sie gleich direkt anführen und hat sich dabei verschiedene Scharmützel mit Starlord Peter Quill geliefert. Thor geht nun wieder seine eigenen Wege. Auf Dauer wäre wohl auch eine gemeinsame Veranstaltung von Chris Pratt und Chris Hemsworth, zwei der angesagtesten Hollywood-Sunnyboys, die die beiden Helden verkörpern, nicht gut gegangen in Sachen Führungshierarchie.   

 

Auf Knowhere treffen wir auch auf „Kraglin“ und „Cosmo“, die bisher nur im Umfeld der Guardians zu finden und bis dato nicht voll und ganz Teil der Crew waren, aber später noch wichtige Rollen einnehmen sollen. Kraglin ist ein „Ravager“ und ein alter Kumpel von Starlords Ziehvater „Yondu“. Er bedient mit seinem Pfeifen einen tödlichen, fliegenden Pfeil. Cosmo wiederum ist ein sowjetischer Space-Hund mit übernatürlichen Kräften. Aber auch die beiden können nichts gegen die Angriffe vom plötzlich auftauchenden „Adam Warlock“ ausrichten, der einen Guardian nach dem nächsten niedermacht, während Starlord noch betrunken im Bett seiner Verflossenen Gamora hinterhertrauert – die (und dafür ist zumindest grobe Kenntnis des MCU doch nützlich) in „Avengers: Endgame“ erst gestorben und dann in einer Vergangenheitsversion wieder aufgetaucht ist. Der Angriff kann dann doch abgewehrt werden, aber unseren Rocket hat es hart erwischt. Auf der Krankenstation stellt sich heraus, dass er etwas irgendwie im Körper hat, was die anderen hindert, ihn mit konventionellen Methoden aus dem Koma zu holen. Daher müssen sie irgendwo hin, um ihm zu helfen. Und zwar nicht irgendwann, sondern sofort! 

 

Was folgt ist eine Guardians-typische Quest, mit dem kranken Rocket im Schlepptau, dessen Backstory immer wieder in Rückblenden nach zahlreichen Auftritten im MCU endlich aufgemetert wird. Aus den bisherigen Teilen war schon bekannt, dass Rocket in der Form Ergebnis eines traumatischen Tierexperiments ist. Nun erfahren wir, dass er dabei nur ein Rädchen in einem riesigen Getriebe war, mit dem der selbsternannte „High Evolutionary“ eine perfekte Welt mit perfekten Wesen erschaffen wollte – wie üblich bei solchen Plänen mit zahllosen Opfern auf dem Weg. Rocket ist allerdings schon etwas Besonderes in der Hinsicht, als dass er als einziges der Experimente den Funken eigenständiger kreativer Intelligenz zeigte, weswegen der High Evolutionary auch zwanzig Jahre später noch an Rockets Gehirn will (gut, das ist nicht ganz der einzige Grund, aber erfrischenderweise handelt es sich hier mal nicht um einen Bösewicht der nur „Rache!!!“ will). 

 

Alle Stationen aufzuzählen, die die restlichen Guardians abklappern müssen, um am Ende den Code für Rockets rettende Operation zu finden und dem High Evolutionary gegenüberzustehen (und diesen natürlich unschädlich zu machen), würde hier angesichts der teilweise erschlagenden Kreativität an Charakteren, Kreaturen, Sets, Effekten und  Szenarien schlicht zu weit führen. Regisseur James Gunn hatte sichtlich alle Freiheiten, seine überbordende Phantasie und seinen teilweise ziemlich verdrehten Sinn für Humor nach Lust und Laune umzusetzen. Da stört es auch nicht, bzw. ist es eher hilfreich, dass die Story an sich diesmal relativ simpel ist. Es geht mal nicht um das Schicksal des ganzen Universums, allmächtige McGuffins, die aber dann nichts mit der Storyline an sich zu tun haben, oder eben darum, Grundlagen für die nächsten MCU-Phasen zu schaffen. Es geht darum, dass eine dauerzankende, aber tiefverschworene Bande von Misfits ihrem Freund helfen will und alles dafür tut. Und dabei sich selbst findet, neue Freunde gewinnt, bzw. – soviel sei verraten – Feinde zu neuen Freunden macht. 

The Soundtrack of Intergalactical Lives 

Und das Ganze – wie auch in den anderen „Guardians“-Filmen – mit einem Soundtrack, der wie ein Transmissionsriemen für die Tränendrüse wirkt. „Creep“ von Radiohead sagt über die Truppe, in der eigentlich jeder und jede einzelne „creepy“ ist, zu Beginn mehr aus als hunderte Filmeinstellungen. Man möchte fast sagen: Hear, don´t Show! Rainbow mit „Since you been gone“ (Wenn Ihr den Song hört, kennt Ihr ihn alle!) passt eins zu eins auf Starlords Gemüt und seine Trauer über die verlorene Liebe zu Gamora. Und wenn dann die Beastie Boys mit „No sleep till Brooklyn“ aus den Boxen dröhnen, wenn die Guardians zusammen dann natürlich auch die Bösen besiegen, möchte man im Kino aufstehen und mitmachen. Das legendäre Kult-Album „Licensed to ill“ von eben jenen Beastie Boys, auf dem der Song erschien, sollte sowie in Heavy Rotation bei den Guardians abgespielt werden. Wir haben aber dann noch Alice Cooper sowie Bruce Springsteen auf dem Soundtrack und vor allem auch Florence and the Mashine mit „Dog days are over“ am Ende, das, soviel sei ohne zu viel zu spoilern gesagt, ein gutes werden soll. Man könnte auch alles fulminant in weiteren Beastie Boys-Song enden lassen: „Intergalactic“ Planetary! Aber es ginge auch „Fight for your right (to party)“ oder „Sabotage“ (der allerdings schon in einem anderen SciFi-Universum verwurstet wurde). Aber tatsächlich ist auch ohne diese Songs vieles rund bei diesem dritten Teil einer wunderbaren Trilogie.  

 

…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später 

Wenn sogar die MCU-Skeptiker bei Red Letter Media „Guardians of the Galaxy 3“ vorbehaltlos empfehlen, wird wohl was dran sein – wir sind jedenfalls fast wunschlos glücklich und ohne direktes Nitpicking aus dem Kino gekommen, was durchaus nicht immer vorkommt (also eigentlich eher selten). In gewisser Weise ist „Guardians of the Galaxy 3“ der Anti-„The Eternals” – kam letzterer mit dem ganz großen Background (und Retcon)-Besteck einer im Grunde Neuinterpretation des MCU, aber auch seelenlosen Charakteren und 08/15-Handlung nach, lösen sich die Guardians in Teil 3 endgültig weitgehend vom MCU-Ballast und der Film erzählt eine persönliche Geschichte, wenn auch wirklich in ganz großen Bildern. Statt über irgendwelche, längst stumpf gewordene, übergreifende „Arcs“ erfahren wir vor allem etwas über das Zwischenmenschliche der hauptsächlich nicht-menschlichen Guardians (bis auf Starlord sind alle anderen Wesen von anderen Planeten als der Erde) und das geht immer wieder richtig tief ans Herz. Dass dies trotz der teilweise bizarren Kreaturen und des üppig vorhandenen (schwarzen) Humors gelingt, ist aller Ehren wert. Dass auch in „Guardians of the Galaxy 3“ „no animals were harmed during production” gilt, verdankt sich ausschließlich der modernen CGI-Technik, die nichtsdestotrotz Charaktere erschafft, deren Schicksal uns ebenso nahegeht wie solchen aus Fleisch und Blut. Das gilt in den Rückblick-Szenen dabei trotz – oder sogar wegen – der Tatsache, dass wir das Schicksal des entkommenen Rocket ja schon kennen, seine Freunde von damals aber noch nie gesehen haben. Wenn es dann so kommt wie erwartet, trifft es trotzdem voll in die Magengrube. Und bleibt dort auch etwas, über die nächste Salve von Sprüchen und Witzen hinweg.

Für diese Mischung aus Komik und Tragik, die im Grundsatz auch schon Teil 1 ("Wir sind Groot!") und 2 (man denke nur an Tod und Beerdigung von Starlords Ziehvater Yondu zu den Klängen von Cat Stevens‘ „Father and Son“) auszeichnete, wurde James Gunn von Disney nach seinem zwischenzeitlichen Rausschmiss aufgrund früherer politisch nicht ganz korrekter Tweets sicher auch zurückgeholt, bevor er das MCU jetzt Richtung Konkurrenz von DC (die bisher nichts Vergleichbares zustande gebracht haben) verlässt – ein Himmelfahrtskommando, unserer Einschätzung nach.

Gunn hatte für DC bereits vorher "The Suicide Squad" gemacht und die Parallelen bezüglich des Humors im wohl vorerst letzten Guardians-Film in der Konstellation sind schon sehr offensichtlich. Im Unterschied zu der DC-Truppe um "Peacemaker", einen sprechenden Hai (gesprochen von Sylvester Stallone, der auch bei den Guardians-Filmen vorkommt) und der Joker-Freundin "Harley Quinn"  heißt es aber in jedem Fall wieder bei den Guardians : Achtung Tränengefahr! Und das nicht wegen des Humors. „Guardians of the Galaxy 3“ ist eine echt emotionale "Achterbahn" – und mehr kann man von Kino ja nicht verlangen!  

Dieser MCU-Film hat uns wirklich tief berührt. Und das letzte Mal, wo das passiert ist, ist wohl Tony Starks Beerdigung gewesen. Lange her...


Micha "Racoon" und Anis "The Destroyer" 

Mid-Credit-Scene:

Wenn Ihr noch die Meinung von "echten" Experten hören wollt, empfehlen wir wie so oft die Kollegen von Nerd und Kultur mit ihrem Spoilertalk zu Guardians 3, die tatsächlich darüber sprechen, ob das der beste MCU-Film ist. Soweit würden wir nicht gehen.  

Post-Credit-Scene:

The legendary Robert "The Groot" from the group "NurBestesArthousKino" will return!