Aus alt wird neu!
Women-At-Arms und jetzt haben WIR die Kraft!
„Masters of the Universe: Revelation“ geht in die nächste Runde
In der Besprechung zu den ersten fünf Folgen der Netflix-Serie „Masters of the Universe: Revelation“ haben wir uns wieder mal von unserer 80er Jahre Nostalgie blenden lassen. Doch jetzt sind die fünf weiteren Folgen von Staffel Eins veröffentlicht worden und jetzt kommt sie: Die große Abrechnung. Naja, vielleicht auch nicht so ganz. Aber was schon paradox ist, ist die Tatsache, dass die ersten fünf Folgen von den „wahren“ Fans aufgrund der vielschichtigen Verästelungen der Charaktere, der Betonung der weiblichen Rollen und vor allem der Übertragung der Hauptrolle von He-Man auf Teela (die wir in unserer Besprechung noch fälschlicherweise als ohne Superkräfte bezeichnet hatten) gehasst wurde, wir aber diese Neuinterpretation wahrlich abgefeiert haben.
Jetzt bringt Showrunner Kevin Smith jedoch genau den Fanservice, den sich viele erwartet hatten – He-Man at its best (and worst), große Schlachten, der ewige Kampf gegen Skeletor und seine Schergen, viele Fahrzeuge, Burgen und zahlreiche Helden und Antihelden – und wir sind dann doch etwas skeptisch. In einem langen, sehr nerdigen Interview (leider nicht mit uns) erklärt Kevin Smith, dass er bei der Fan-Kritik zu „Die letzten Jedi“ verwundert war und sich das sehr zu Herzen genommen hat. Die Fans nähmen das Jenre ja anscheinend „wirklich ernst“. Aber bitte Mr. Smith, was denn sonst???
Jede Beschreibung der Ereignisse ist ein einziger langer Spoiler!
Daher fangen wir erst gar nicht an, Euch Dinge zu verheimlichen. Vieles war aber auch tatsächlich absehbar. Prince Adam ist natürlich nicht gestorben (nur ein Streifschuss, äh, -schnitt), aber das Schwert wurde ihm durch Skeletor hinterlistig abgeluchst. Daraufhin verwandelt er sich ohne Schwert in einen wilden He-Man und wird zu einem nicht mehr kontrollierbaren Wüterich. Erst die Liebe zu und Wiedervereinigung mit seinem Vater König Randor bringt ihn wieder runter und er verwandelt sich zurück in Prince Adam. Sein Vater hatte mit seinen Getreuen und seiner Armee die Hauptstadt Eternias verlassen und an einem mystischen Ort namens Point Dread sein Feldlager bezogen. Es ist Krieg und die dortige Ansammlung der Truppe erinnert doch sehr an die Heerschau der Reiter von Rohan aus „Herr der Ringe“. Auch bei der natürlich darauf folgenden Schlacht erinnern Elemente an die Ringkrieg-Trilogie. Den Machern hier eine billige Kopie vorzuwerfen, greift aber irgendwie ins Leere, da sich mittlerweile fast jeder Film im Fantasy- oder Science-Fiction-Bereich hierbei bedient, nicht zuletzt die Marvel-Blockbuster.
Und noch einiges wiederholt sich: Auch bei „Revelation“ gibt es in den fünf neuen Folgen verschiedene Handlungsstränge, in denen Helden und Schurken den jeweiligen Weg zum alles zusammenfassenden Endkampf erst einmal alleine bestreiten müssen. So hat Teela sich mit ihrer kongenialen Partnerin Andra und dem wild gewordenen He-Man, nachdem Skeletor diesem das Schwert entwendete hat und Evil-Lyn sich wieder auf seine Seite schlug, mit ihren jetzt entdeckten magischen Fähigkeiten vom Castle Greyskull weggebeamt. Hätte sie ihre Magie doch etwas früher gefunden, so wäre den Guten vielleicht einiges erspart geblieben. Skeletor, mit dem Zauberschwert mittlerweile ganz bescheiden als Skelegod unterwegs, macht Evil-Lyn zur neuen Sorceress und somit zur Wächterin über den einstigen Hort des Guten. Achja, vorher musste noch die alte Sorceress schnell ausgemerzt werden.
Wir erfahren in Rückblicken noch einiges über die Geschichte der weiblichen Hauptrollen in der Serie. So ist Teela die Tochter der alten Sorceress und Man-At-Arms Duncan, der von Skeletor jetzt in ein Verlies geschmissen wurde. Evil-Lyn ist in ihrer Kindheit im wahrsten Sinne des Wortes in der Gosse aufgewachsen, aus der sie von Skeletor befreit wurde. Seitdem haben die beiden eine sehr toxische Beziehung, die in „Revelation“ ihren Höhepunkt findet. Sorceress Evil-Lyn ist angewidert von Skeletors ständiger Herabsetzung, bietet sich ihm vermeintlich an, um ihm – ohne die vorher abgelegten Superkräfte, aber in entsprechender Erregung – das Schwert abzunehmen und selbst Evil-Lyn-God zu werden. Spätestens an dieser Stelle wird wieder mal klar, dass sich die Serie an Erwachsene wendet. Über weitere tiefenpsycho- und -philosophische Motivationen können wir an dieser Stelle nur spekulieren. Das ist nicht unser Metier.
Die weiteren Verästelungen und Positionswechsel der Charaktere wirklich alle zu verstehen bzw. glaubwürdig anzunehmen, fiel selbst uns recht schwer, trotz oder vielleicht auch gerade wegen der vielen und langen Dia- und Monologe, in denen die Figuren ihre Befindlichkeiten ausdrücken. Am Ende, auch das keine große Überraschung, gewinnt vorerst das Gute. Vorher musste aber Teela ihre alte Buddy-Beziehung zu Evil-Lyn wieder aktivieren, um diese davon zu überzeugen, dass sie dann doch lieber nicht das ganze Universum vernichtet. Damit wird Teela endgültig zur neuen Sorceress, der Herrscherin von Castle Greyskull, aber mit neuem Style. Sorceress Teela bricht nicht mit den ihr verbundenen Menschen den Kontakt ab und hängt nicht nur in der Festung der Macht rum, um zu warten, dass He-Man vorbeikommt, um sich Ratschläge abzuholen. Sie mischt sich unters Volk und bringt ein neues Motto in die Geschichte: WIR haben die Kraft! Dass es am Ende dann auch selbstverständlich den (nicht ganz) finalen Kampf zwischen He-Man und Skeletor geben musste, war auch irgendwie klar. Für das Publikum gilt das gleiche Motto wie für König Randors Soldaten, die sich auf He-Mans Anweisung beim Ansturm in einer sicheren Position sammeln sollen, aber keine sehen. He-Man antwortet darauf He-roisch: Doch, hinter mir!
Fanservice für die Service-Fans
Ob sich jetzt auch die Fanbase hinter „Revelation“ sammeln wird, muss sich noch zeigen. Die Macher:Innen haben zumindest in den zweiten fünf Folgen so einiges dafür getan. Die fünf Folgen sind voller Fanservice. Wenn es im ersten Part schon einige Andeutungen, Special-Referenzen und jede Menge „Masters“-Material im wahrsten Sinne des Wortes gab, so kann schon gesagt werden, dass jetzt eigentlich das Herz jeden Fans kurz vor dem Infarkt stehen müsste. Zwischen zahlreichen Gerätschaften und Orten – neben dem Fluggerät Talon Fighter und des bereits erwähnten Point Dread kommt am Ende sogar Skeletors Snake Mountain ausführlich zum Vorschein – sind es natürlich die Figuren, die im Zentrum stehen. Und dafür haben Smith und Co. wirklich sogar den „Bodensatz“ abgefischt, wie Man-At-Arms über das plötzliche Erscheinen von Pig Boy und Goat Man bemerkt. Bei Goat Man ist nicht der „Greatest of all Time“ gemeint. Und Pig Boy ist eine ganz besondere Figur bzw. eigentlich gar keine Actionfigur. Beim 1987er Versuch, He-Man ins reale Kino zu bringen, wurde von Mattel ein Wettbewerb ausgelobt, den ein kleiner Junge gewann. Er durfte dann an der Seite Skeletors Pig Boy spielen. Auch bei den Helden gibt es derartige Easter Eggs für die Fans. Neben Figurenlieblingen wie Buzz Off, dem Bienenmann, kommen insbesondere in der Schlacht zahlreiche weitere von ihnen vor. Aber auch vorher gibt es eine schöne Verneigung vor den Fans. Die Helden treffen bei ihrer Reise etwa auf Fisto und Clamp Champ. Zwei Charaktere die, sagen wir einfach etwas spezielle, Dinge an ihren Armen haben. Und so ist die Aussage Fistos, er wolle Skeletor mit seinem Eisenhandschuh fisten eine nicht gerade subtile eindeutig zweideutige Anspielung auf ein ebensolches Internet-Meme. Und gibt auch nochmal Klarheit, dass das Ganze wirklich nur für Erwachsene ist. Die Masters-Fans von „früher“ lieben solche Dinge. Sie lieben die Figuren und die Fahrzeuge und den ganzen „Service“ drum herum. Und jetzt sind sie auch in dem Alter, selbst das Geld zu haben, um es dafür auszugeben. Für den Verkauf von Spielzeug ist diese Serie sicher ein großes Geschenk kurz vor Weihnachten.
Das Universum wächst und gedeiht
Netflix ist es darüber hinaus irgendwie gelungen, aus einer angestaubten 80er Spielzeugnische eine neue moderne Marke zu schaffen. Nicht nur für Erwachsene. Mittlerweile laufen auf der Streaming-Plattform auch eine He-Man-Serie für Kinder sowie der weibliche Ableger She-Ra. Ohne wirklich zu viel zu verraten, ist die Endszene von „Revelation“ möglicherweise der Hinweis auf ein gender- und weltenübergreifendes Crossover, das zwar am Ende wahrscheinlich nicht ganz die Dimension des Marvel Cinematic Universe haben wird, aber doch das Potential für ein erfolgreiches Franchise besitzt. Insbesondere das offensichtliche Bemühen um die Ausdifferenzierung der weiblichen Rollen in „Revelation“ ist in Sachen Storytelling tatsächlich State of the Art und kann mit teuren Realserien mithalten. Women-At-Arms möchte man dabei rufen! Aber bevor wir jetzt hier wirklich jedes Easter Egg und jeden Überraschungsauftritt noch ausplaudern, wollen wir Euch mitteilen, wie wir das jetzt alles in der Gesamtschau fanden.
Fazit:..und ein soziakritisches Schlagzeugsolo später
Und das ist gar nicht so einfach zu sagen, zumindest sind wir uns in der Bewertung diesmal nicht ganz einig. Es kommt dabei sicher vor allem darauf an, welches Augenmerk man auf die verschiedenen Elemente der Serie legt – den Plot, die Charakterzeichnungen, die Action, die Hommage an die alte Serie etc. Dass wir die Aufwertung der weiblichen Charaktere für eine gute Sache halten, haben wir ja schon in der Review zum ersten Teil deutlich gemacht – es stimmt aber weiter, dass He-Man auch im zweiten Teil der Staffel im Grunde eher eine Nebenfigur ist, auch wenn sein Alter Ego Prince Adam hier deutlich mehr Raum bekommt. „Revelation“ ist klar eher die „Teela und Evil-Lyn-Show“ denn „He-Man und die Masters of the Universe“ (die Serie macht das sogar explizit, indem sie He-Man im Kampf mit Skeletor die Worte „Es geht nicht um uns!“ in den Mund legt). Das ist wie gesagt nichts unbedingt Schlechtes, erlaubt diese Dekonstruktion doch erst das anschließende neu zusammenbauen der Elemente des „Masters“-Mythos für das Jahr 2021. Und es ist natürlich wirklich mutig, die Fortsetzung eines klaren „Gut gegen Böse“-Cartoons mit tiefgründig existentialistischen Themen über den Sinn des Lebens aufzuladen. Leider verhebt sich „Revelation“ allerdings an der ein oder anderen Stelle daran, was besonders bei Evil-Lyn deutlich wird, die zwischen gequälter Seele, Superschurkin mit diabolischem Lachen und geläuterter Anti-Heldin hin und her pendelt. Hier, wie auch bei Teelas Weg zur neuen Sorceress, fehlt sichtlich die Zeit, die komplexen Entwicklungen glaubwürdig aufzubauen. Das dies weniger als noch im ersten Teil der Staffel gelingt, liegt natürlich auch daran, dass das Geschehen hier deutlich Fahrt aufnimmt, schließlich gilt es eine spektakuläre Endschlacht zu schlagen – und da überwiegen dann eindeutig die positiven Elemente, von der mitreißenden Action und den zahllosen Cameos bis zu rührenden Gänsehaut-Momenten (auch hier mit Anklängen an „Die zwei Türme“…). Auch der Ausblick am Schluss (bei Marvel wäre das eine klassische Post Credit-Szene gewesen) versöhnt etwas den zwischenzeitlich holprigen Weg und macht Vorfreude auf weitere Abenteuer mit den runderneuerten Masters of the Universe – We Will Have the Power!
PS: Wer nochmal etwas tiefer einsteigen will, da empfehlen wir die kurzweilige After Show-Doku zum zweiten Teil von „Revelation“. Hier erklärt der He-Man-Prince Adam-Sprecher Chris Wood, wie toll es ist, in einer Serie mit Luke Skywalker und Vampirjägerin „Buffy“ gemeinsam zu sprechen. Mark Hamill und Sarah Michelle Gellar sprechen im englischsprachigen Original Skeletor und Teela. Auch „Batgirl“ Alicia Silverstone ist dabei und spricht Königin Marlene. Lena Headay, die Cersei aus „Game of Thrones“, spricht Evil-Lyn und Mr. Henry Rollins himself (hier eine Metal-Version des Intros) gibt den Tri-Klops. Bei so viel Jenre-Prominenz wären wir auch gern dabei gewesen!
Michael „Trap Jaw“ Fürstenberg und Anis „Beast-Man“ Ben-Rhouma
I have the Power!