Detektiv Batman – Eine tiefenpsychologische Analyse von „The Batman“ (Teil 2)
Detektiv Batman ist seines Zeichens die Vergeltung in Reinform. He is back – und das düsterer, geerdeter und unprätentiöser als je zuvor. Nur die tiefe Stimme bleibt (wie macht er das nur immer?). Auf Kosten der bisher scheinbar ins Unendliche führenden Aufrüstungsspirale an fantastischen Gadgets, wuchtigen Rüstungen und Fahrzeugen, opulenten Optik und des ganz allgemein omnipräsenten Überflusses an Mitteln, Wegen und Mammon, mit der Bruce Wayne in nicht wenigen Vorgängerverfilmungen immer weiter die Spitze des finsteren Olymps der Rache erklommen hat, tritt nun ein neuer, anderer Batman-Typus, der glaubhaft wie nie seinen qualvollen, nirgendwohin führenden Leidensweg verkörpert, seit er als Junge Zeuge der Ermordung seiner Eltern wurde. Der Plot ist wenig überraschend und wird auch nicht durch die vergurkte Doppelkonstruktion eines Endes nach dem Ende gerettet – was kümmert es uns, Gotham geflutet zu sehen, wenn wir den Großteil der Filmzeit darüber rätseln, wie korrupt die Großen und Mächtigen dieser Stadt wirklich sind? Deshalb soll es hier eher um den Sinneswandel gehen, der beim Zeichnen dieses Batman-Typus offenbar stattgefunden hat und der unserer Ansicht nach ganz gelungen ist.
Vergeltung, ein Begriff, der ihm immer wieder im Laufe des Films auf den eindimensionalen Leib geschneidert wird, passt so gut zu ihm, dass leider kaum noch Luft für andere Charakterfacetten übrigbleibt. Vergeltung allein ist ja schon anstrengend genug. Da bleibt nicht Platz für viel mehr. Ab und zu wünscht man sich aber, dass da doch etwas mehr wäre als ständig dramatisch ins Gesicht hängende Haare, ein Gesichtsausdruck irgendwo zwischen vergorener Milch im Kaffee und einer knapp verpassten Straßenbahn an einem regnerischen Montagabend und einer Attitüde, die irgendwo zwischen einem verzweifelten Anwärter auf die Mitgliedschaft im Fight Club und Judge Dredd mit posttraumatischer Belastungsstörung changiert. Aber dann erinnert man sich: Halt, das ist Batman, Bruce Wayne war hier ursprünglich immer nur der steinreiche Kaffeesatz des Charakterbuildings, also lassen wir ihn im Schatten warten und Jagd auf Gothams Verbrecher machen. Und das tut er ausnahmslos gut, wozu beiträgt, dass hier nicht Zeus vom besagten Olymp der Rache hinabsteigt, um seinen Feinden mit Anlauf in die Eier zu blitzen, sondern ein eher wenig hochgerüsteter Rächer hier gekonnt spielt mit den Elementen Dunkelheit, den donnernden Schritten und der Angst, die er in seinen Gegnern allein schon angesichts der Möglichkeit sät, dass er sich aus der nächsten dunklen Ecke, der nächsten schlecht ausgeleuchteten Unterführung auf sie stürzen könnte. Sie erstarren allein bei Ansicht des ikonischen Batman-Scheinwerferlichts. Jesus doesn´t want him for a Sunbeam.
Eher unelegante Flugeinlagen im Jump Suit, eher schlecht koordinierte Verfolgungsjagden im Auto, eher der Eindruck, dass Alfred, stark verkörpert von Andy Serkis, hier mehr als je zuvor Vaterfigur, Therapeut, Quartiermeister und Mastermind in Einem sein muss, damit Robert Pattinson liefern kann, wofür er gekommen ist. Die Detektivrolle nimmt man ihm dafür gerne ab, denn das Lösen von in Postkartenform präsentierten Rätseln, Markenzeichen des Riddlers, leitet durch den Film und legt auch dann noch den roten Faden aus, als längst klar ist, dass dessen Rachefeldzug gegen Gothams korrupte Verbrechensbekämpfung und politische Nomenklatura eben nicht nur Verstrickungen der Vergangenheit ans Tageslicht zerren, sondern auch, ganz evil genius, die Stadt in ihrer Existenz bedrohen soll. Gotham ist so korrupt, dass es sterben muss. Eine ähnliche Idee hatten aber auch schon Joker und Bane in der Dark Knight-Trilogie. Gut, man kann bei Batman auch nicht alles neu erfinden.
Die Schurken und die Helferin – Die Fledermaus wird beim Kampf gegen die Ratten von der Katze unterstützt
Der eigentlich sehr fähige Paul Dano als Riddler schließlich ist irgendwo auf dem Weg zu seiner Rolle leider in Richtung hysterisches Überzeichnen seines Charakters falsch abgebogen, was immer dann bitter aufstößt, wenn seine psychologisierende, feinfühligere Schauspielart mit dem Auftrag kollidiert, Videos für seine Follower aufzunehmen und dabei dramatisch mit sich überschlagender Stimme ins Mikro zu brüllen. Aber auch das kann man dem geerdeten, unprätentiösen, zeitgeistigen Stil des Films zurechnen und irgendwie vertreten, wenn man will. Riddler ist eine echte Ratte, wenn man den negativ belasteten Kontext dieser Spezies nutzen möchte. Und so verwundert es auch nicht, dass er eines seiner Opfer brutal von Ratten – ja, es ist leider so, aber keine Angst, man sieht es nicht – auffressen lässt.
Es gibt auch noch weitere Ratten als Gegenspieler. Der Plot vermutet eine derartig bezeichnetet in den Reihen der Verbrecher-Gilde. Mit dem Begriff wird im Film ein vermuteter Spitzel für Polizei, Politik und Justiz bezeichnet. Und zwei kommen nach Detektiv-Kleinarbeit hierfür infrage. Club-Besitzer und Drogenverticker Falcone und sein schmieriger Handlanger Pinguin. Letzterer wird großartig gespielt von Colin Farrell, dessen Wandlung zum aufgedunsenen Pinguin-Mann mehr als beachtlich ist. Oscar-verdächtig für die Rolle als bester Nebendarsteller! Mafia-Boss Falcone selbst trägt noch ein paar Geheimnisse in sich, aber alles in allem finden wir, dass die Schurken nicht so wirklich mit den bisherigen ikonischen Darstellungen von Joker, Bane und den anderen mithalten können. Aber schlecht ist das alles im cineastischen Sinne nicht, was da im Schurkengeschäft getrieben wird. Einer, der alles wohl überragen wird, deutet sich jedoch schon an. Doch dazu gleich mehr.
Vorher muss in jedem Fall noch Batmans Partnerin in Crime-Bekämpfung Selina Kyle alias Catwoman, im wahren Leben Zoe Kravitz, genannt werden. Vom Look her Halle Berry in der unsäglichen Solo-Verfilmung von Catwoman nicht ganz unähnlich (was Selina angeht, nicht das Kostüm, zum Glück), aber weitaus besser, ist sie die perfekte Helferin und auch etwas mehr an Batmans Seite. Wenn man über „The Batman“ sagt, dass dieser einen ganz neuen Batman hervorgebracht hat, dann gilt das umso mehr für Catwoman. Und beide zusammen werden wohl noch große Probleme bekommen. About a Cat-Girl.
Joker – Der lachende Dritte?
Der Riddler sitzt am Ende des Films nämlich zufällig direkt neben der Zelle eines weiteren notorischen Batman-Bösewichts – gemeint ist natürlich der unvermeidliche Joker, der dem ob des Scheiterns seines Plans aufgelösten Riddler seine „Freundschaft“ anbietet. Zu sehen ist der neue Joker, der in die nicht gerade kleinen Fußstapfen von Heath Ledger und Joaquin Phoenix (Jared Letos Darstellung wurde von DC ja schnell zu einer Fußnote degradiert) treten muss, dort allerdings noch nicht. Die Produzenten hatten ein Einsehen und veröffentlichten inzwischen eine Deleted Scene, in der der Joker – gespielt von Barry Keoghan, der hier im Vergleich zu Marvel’s „Eternals“ die deutlich bessere Rolle in einem Superhelden-Film erwischt hat – von Batman in Arkham zu seiner Meinung zum Riddler-Fall befragt wird (man erinnere sich an „Das Schweigen der Lämmer“, Serienkiller kennen sich am besten aus mit Serienkillern!). Zwar sieht man ihn auch hier nur verschwommen, aber allein die paar Minuten haben es in sich und werfen sowohl Fragen zur Vorgeschichte dieses Batman als auch Vorfreude auf Nachfolgeprojekte auf. He drunk to much Pennyroyal Tea.
Der aktuelle Kontext – QAnon, 8Chan und die Incel-Waisen des Riddlers
Zur Vorgeschichte dieses Films wiederum gehört natürlich der „Joker“ Stand Alone-Film, in dem der bereits genannte Joaquin Phoenix eine ganz andere Version des Clown Prince of Crime mimte. Wäre man sehr verschwörungstheoretisch veranlagt könnte man sogar vermuten, hier handele es sich um denselben Joker, heißt doch auch in „The Batman“ die berühmte Psychiatrie von Gotham nicht „Arkham Asylum“ sondern wie in „Joker“ „Arkham State Hospital“ – dies dürfte allerdings eher ein Easter Egg sein. Tatsächliche Übereinstimmungen ergeben sich allerdings in der Darstellung Gotham Citys, das auch im neuen Film sehr nach einem noch düsteren 1980er New York aussieht. In anderer Weise ist dieses Gotham jedoch sehr modern, agiert der Riddler doch vor allem auf Social Media und hetzt seine Follower dazu auf, die Vergeltung nach seiner Verhaftung unterschiedslos auch an Unschuldigen zu vollstrecken. Kann man am Beginn noch gewisses Verständnis für Riddler haben – die Elite von Gotham ist ja wirklich korrupt - offenbart sich hier seine absolute Zerstörungsphantasie, die vielleicht nicht umsonst an das rechte Schlagwort vom „Austrocknen des Sumpfes“ erinnert. Der Riddler quasi als „Q“, der anonym eine ebenso anonyme Armee von Tastaturkriegern zu echten Terroristen macht, so wie die „QAnon“-Bewegung Internet-Verschwörungstheorien auf die Straße und ins Capitol brachte. Die erträumte Alternative zur Korruption als Ausdruck der Moderne ist hier nämlich offensichtlich nicht eine progressive Version (der Anschlag am Ende richtet sich genau nicht gegen das alte System, sondern die neugewählte junge schwarze Bürgermeisterin), sondern ein alles verschlingendes Chaos. Auch in der Wirklichkeit existiert auf Imageboards und Telegram-Kanälen eine solche Szene, die die traditionelle (meint weiße) Gesellschaft als unrettbar korrumpiert ansieht – nur das in der Wirklichkeit gar kein Superschurke mehr gebraucht wird, um den Hass auf die moderne Welt in Gewalt gegen alle umzuwandeln, die für diese Moderne stehen. The Men who sold the World.
It smells like bad(t) Spirit – Der Soundtrack der Vergeltung
Wie Ihr vielleicht schon in Teil 2 gelesen habt, spielen sich Soundtrack und auch der Score musikalisch irgendwie im 90er Jahre Grunge-Spektrum ab. So ist der zentrale Song selbstverständlich von Nirvana. Vielleicht habt Ihr auch die kleinen Andeutungen dazu in diesem Text hier registriert. Und so kann man sich natürlich den Soundtrack zu „The Batman“ wohl bedenkenlos kaufen. Oder aber man legt einfach die alten Nirvana-Platten wieder auf. Passt auch. Und das scheint gewollt. Robert Pattinson – trotz und gerade wohl auch wegen seines Vampir-Images dient hier als Symbolfigur und als Reminiszenz an diese Zeit und eröffnet ganz neue Zielgruppen für „The Batman“. Welche einigermaßen anständige Frau aus den 90ern kauft denn bitte nicht das neueste „The Batman“-Lego-Set für ihren Mann (und die Kinder), wenn hier die Helden ihrer Jugend neu belebt werden?
Fazit – ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später:
Eine Batman-Verfilmung, die wirkt wie der finstere, im Schatten verborgene Zwilling der Hochglanzproduktionen der vergangenen Jahre, dessen Aufschlag dafür aber so unerwartet wie mächtig daherkommt. Sieht man erfolgreich über einen Plot mit Hängern und dem einen oder anderen Logikfehler hinweg, erhält man eine Batman-Interpretation abseits ausgetretener Mainstream-Pfade, die weniger episches Bombast-Kino als Film-Noir, Detektivfilm und Zuspitzung des Rachemotivs in Einem sein will - und damit sehr erfolgreich ist. Wir dürfen gespannt sein, ob diese Neubesohlung auch in der Joker-Rückkehr als fieser Ober-ober-Bösewicht verfängt – hier dürfte Heath Ledger die Messlatte allerdings noch etwas höher als bis in den Olymp der Rache gelegt haben. Aber: Never Mind! It´s OK to eat fisch, cause they don´t have any feelings.
Der Schlaumeier, der Ruhige und der Ruppige
Who´s bad?