Die Ringe der Macht - Staffel 2: KissKiss, BangBang und Xenadriel, die Elbenkriegerin
Wer hat Wen Warum geküsst und für wen ist eigentlich „Die Ringe der Macht“ gemacht?
Zur Kritik zu Staffel 1 einfach weiter runterscrollen!
Karten und Musik: Auf dem Titelbild hier sehen wir eine unter „Herr der Ringe“-Fans allseits bekannte Karte von Mittelerde, der imaginären Welt, die ein gewisser Tolkien samt Sprache und dazu gehörigen unterschiedlichen Völkern – und eigentlich auch Rassen – im letzten Jahrtausend geschaffen hat. Im letzten Jahrtausend klingt lange her, aber schließlich befinden wir uns ja wirklich im dritten Jahrtausend unserer christlichen Zeitrechnung. Die zweite Staffel der Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“ spielt wiederum im zweiten Zeitalter (mehrere Jahrtausende) der Tolkienschen Ring-Menschheits-Elben-Zwerge-Orks-Halblinge-Geschichte, aber integriert sind auch Erzählstränge des dritten Zeitalters von Tolkiens Original. Ja, es ist kompliziert!
Im Intro der Serie sehen wir die berühmt berüchtigte, sich aber hier immer mal verändernde Karte vor uns, untermalt mit grandioser Musik, die auch schon zu Beginn des dritten Jahrtausends der nach dem Messias gezählten Menschheitsgeschichte in der verfilmten Trilogie von Peter Jackson, die konsequenterweise im eigenen dritten Zeitalter spielt, eine einprägende Rolle einnahm.
In Kombination von Karte und Musik kommt es wieder! Das Gefühl, dass man als damals noch junger Mensch hatte, als man die drei grünen Bände im Original las, die Karte aus den Büchern im Jugendzimmer hing und man sich unbeschwert mit den weirden (das Wort gab es damals noch nicht in der heutigen Form) Liedtexten eines ominösen Tom Bombadil beschäftigte. Dann freuten wir uns vor so ungefähr einem Vierteljahrhundert, aber nicht ganz so lang (so alt sind wir nun auch wieder nicht!) auf die neu erscheinenden Filme, setzten uns Elbenohren auf, und besuchten sogar einen kulturell anspruchsvollen szenischen Tolkien-Musik-Lesungs-Abend in irgendeinem Kulturclub im honorigen Wolfenbüttel. Die Erinnerungen hierzu gehen auseinander, aber werden sicher irgendwann unter einem Titel wie „Braunschweig – There and Back Again“ veröffentlicht. Oder besser auch nicht.
Wie Ihr auch in dem unten aufgeführten Text zur ersten Staffel erkennen könnt, sind wir beim „Herrn der Ringe“ voreingenommen. Das wohlige Gefühl der Erst-Rezeption, das Eintauchen in Karten, in Musik, in die unterschiedlichen Völker Mittelerdes, in die Schlachten, in die unterschiedlichen Erzählstränge, die Tolkien und auch Jackson dann wunderbar miteinander verwoben hat – all das wollen wir wieder haben! Aber es ist – um es vorwegzunehmen – bei „Die Ringe der Macht“ wohl wie im realen Leben: Die alten Zeiten kommen einfach nicht wieder. Die unschuldige neugierige Jugend ist vorbei. Auch wenn natürlich hier wie überall ein wenig Verklärung dabei ist. Jetzt heißt es aber: Welcome to Real Life! Welcome Again in Mordor, für den zweiten Akt!
According to Lore: Eine geraffte Zusammenfassung der Handlung
Die sog. „Lore“ von Tolkien, also der Kanon, bzw. auf Deutsch gesagt: Das, was Tolkien sich (wohl) überlegt hat. Denn es ist hier nicht so einfach. Die „Lore“ umfasst tausende Seiten von teils auch undurchdringbaren Büchern, unfertigen Geschichten, Briefwechseln und über allem wacht das sog. „Tolkien Estate“, was das ganze Erbe Tolkiens verwaltet. Amazon hat mit diesem einen Vertrag abgeschlossen, und so ist auch jedenfalls davon auszugehen, dass in „Die Ringe der Macht“ nichts passiert, was die Erben nicht zugelassen haben. Dennoch ist hier nicht alles „according to Lore“, zumindest nicht dem Kanon entsprechend, wie er gegenwärtig von Tolkien-Puristen gelesen wird. Um Euch hier nicht die ganze Handlung vorzuerzählen, fassen wir nur kurz die Ereignisse zusammen und gehen dann auf unsere „Talking Points“ ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein.
Mindestens Fünf Handlungsstränge – plus Nebenschauplätze
In der zweiten Staffel der Serie werden mindestens fünf Handlungsstränge fortgeführt. Dazu kommen sogar noch einige Nebenschauplätze, die vielleicht später wichtig werden könnten. Hier ein grober Überblick:
Erstens – Halblinge und Große Zauberer
Aufbauend auf der Entwicklung der ersten Staffel (siehe wieder unten) reisen wir mit den Haarfüßen Nori und Magsi sowie dem „Fremden“ durch das östliche Mittelerde. Natürlich warten Gefahren im Osten! Wir treffen auf einen anderen Stamm von Halblingen, einen zweiten Zauberer, eine Gruppe Steam-Punker und – zur großen Überraschung – endlich auf das „Wesen“ Tom Bombadil, der uns in Peter Jacksons Filmtrilogie verwehrt wurde, obwohl er in den Büchern eine zumindest interessante Rolle spielt. Am Ende erfahren wir dann auch den Anfang der Entstehungsgeschichte des allseits bekannten Auenlandes und wer der „Fremde“ jetzt dann doch eigentlich ist.
Zweitens – Game of Thrones für Arme auf Numenor
Auf der Insel Numenor wird es wild. Nach der Niederlage der Armee Numenors in Mittelerde gegen die Orks von Adar bzw. der Entstehung Mordors durch das herbei geführte Ausbrechen des Schicksalsberges sind die der Königin Miriel treuen Elbenfreunde in der Defensive. Aufständische um den zwielichtigen Pharazon bereiten den Aufstand vor, um Miriel zu entmachten. Hier geht es hin und her. Ein Adler kommt angeflogen und sieht in Pharazon den neuen Herrscher. Zumindest sieht es das „Volk“ so. Dann wird Königin Miriel einer göttlichen Prüfung unterzogen, die sie besteht. Sie wird dann wieder „Königin der See“ und dann aufgrund einer „Fake News“-Kampagne der Aufständischen wieder abgesetzt. Dafür, dass die Numenorer eigentlich das höchste Volk der Menschen laut Tolkiens „Lore“ sein sollen, sind diese dann doch leicht beeinflussbare Wutbürger in „Die Ringe der Macht“. Aber dazu später mehr.
Drittens – Die Zwerge unter dem Berg
In den Minen Morias bzw. Khazad-Dums spielen sich dramatische Szenen ab. Die Lichtschächte in den Berg hinein stürzen ein. Keine Sonne, keine Pflanzen, keine Ernte! Durin III. hat aber einen nunmehr geschmiedeten Ring der Macht bekommen und kann damit alles wieder geradebiegen, aber er wird zu gierig! Es muss geschürft und gegraben werden, was der Berg hergibt, hohe Abgaben werden eingeführt und der Streit mit Sohn Durin IV. und dessen Frau Dissa eskaliert. Am Ende versöhnen sich die beiden zwar, aber wir wissen aus der späteren „Lore“, dass es mit dem Leben „unter dem Berg“ nicht so richtig rund laufen wird.
Viertens – Meisterschmiede unter sich
Geschmiedet hat den Zwergenring – genau wie die sechs weiteren – Elbenschmied Celebrimbor zusammen mit einem gewissen Herrn Annatar, dem Herrn der Geschenke. Kenner der „Lore“ wissen natürlich, dass es sich hier um Sauron a.k.a. Halbrand handelt, dessen Aufdeckung ja der große „Twist“ aus Staffel 1 gewesen ist. Dieser hat sich erneut in Eregion, der Heimat der Elebenschmiede, eingeschlichen und manipuliert sowohl Celembrimbor wie auch seine Kolleginnen und Kollegen bzw. seine Mitarbeitenden. Diese gründen keine Gewerkschaft dagegen, sondern fallen sogar auf den toxischen Chefmanipulator Annatar so rein, dass dieser seinem Ziel immer näherkommt: Endlich auch neun Ringe für die Menschen zu schmieden, um diese zu unterjochen. Währenddessen greift Ork-Boss Adar, der – und das zeigt uns der Prolog der zweiten Staffel – Sauron nach dem Tod des gemeinsamen Oberschurkenbosses Morgoth als potentiellen Nachfolger im Ork-Verbrecher-Unterdrückungs-Syndikat gewaltsam verhindert hat, Eregion an, da er irgendwie mitbekommen hat, dass Sauron noch lebt und darin eine Gefahr sieht. Eine große Ork-Armee erscheint vor den Toren Eregions und wird dann dort auf ein von Elrond angeführtes Elbenheer treffen. Elbenkriegerin Galadriel darf natürlich nicht fehlen in dieser Storyline. Zwerge kommen später dann auch noch – vielleicht!
Fünftens – Die Menschen in Pelargir bekommen unangenehmen Besuch
Dann gibt es noch die weitergeführte Geschichte der Menschen aus den Südlanden, die – wir erinnern uns, dass aus den Südlanden Mordor wurde, was jetzt erst einmal von Adar verwaltet wird – dem Bösen nicht die Treue geschworen haben. Unter ihnen Theo und der Elb Arondir sowie Isildur, Elendils Sohn. Elendil kämpft parallel auf Numenor für Königin Miriel. Die Menschen der Südlande haben sich in der Hafenstadt Pelargir eingefunden und versuchen, hier ein neues Leben aufzubauen. Aber auch das kommt natürlich anders und es kommt unangenehmer Besuch der Verwandtschaft.
Während Ihr das hier lest, denkt Ihr Euch vielleicht den gleichen Teil, den wir uns beim Anschauen der Serie und dem Schreiben dieser Zeilen gedacht haben: Ganz schön viele verwirrende Handlungsstränge! Wie soll man das denn alles am Ende zusammen bekommen? Aber das ist nicht einmal das größte Problem dieser Serie!
Eine Tragödie in fünf Akten:
Gemäß der klassischen griechischen Tragödie hat sich auch Amazon bisher für fünf Staffeln entschieden. Wir wollen unsererseits beispielhaft die zweite Staffel in fünf Akte einer tragischen Entwicklung einteilen:
1. Akt, Exposition: Galadriel als die klassische Heldin auf der Reise
Elbenkriegerin Galadriel erscheint uns erneut in vollkommen anderer Darstellung als in der klassischen Jackson-Trilogie. Hat man ihr die wütende Figur in Staffel 1 noch irgendwie aufgrund des Todes ihres Bruders durch Saurons Macht abgenommen, so wird es in Staffel 2 wirklich vollkommen absurd. Ihre Schritte sind nicht mehr nachvollziehbar und statt der da schon tausende Jahre alten Elbenfürstin wirkt sie des Öfteren wie eine bockige Teenagerin – „beim nächsten Mal klappt alles super, garantiert!“. Sie stellt sich den Orks unter Adar und erzählt ihm jeden Schritt über die Strategie der Elben, den Aufenthaltsort der Elbenringe, die Adar begehrt, nur um dann wieder eingekerkert als Faustpfand gegen das Elbenheer herzuhalten. Und dann haut sie nach der Schlacht einfach mit den mittlerweile geschmiedeten neun Menschenringen ab und wird – Überraschung – abgepasst. Die Orks verhalten sich dabei wie die klassischen „Minions“ und folgen immer den größeren Schurken. Dann überelbt Galadriel einen Schwert-Stich einer Mordor-Klinge und einen Sturz in die Tiefe. Kein Spoiler, da sie ja überleben muss. It´s Magic! Sie erinnert dabei an die ehemalige Fernsehserie Xena, die Kriegerprinzessin. Aber das war irgendwie besser. Und außerdem: Haben wir Kuss gesagt? Nein, denn wir wollen uns an der leidigen „Warum hat der und der Galadriel einfach geküsst?“-Debatte nicht beteiligen 😊. Das sind Leute, die sind nur auf Clickbaits aus!
2. Akt, Erregendes Moment: Der Zorn der Menschen in Numenor
Wie bereits oben beschrieben ist die Handlung in Numenor ein echtes Ärgernis. Zumal die Tolkien-Original-Geschichte hier eigentlich ausgereicht hätte. Die Game of Thrones-artigen Ränkespiele gibt es auch im Original. Aber hier viel sinniger und stimmiger erzählt. Es wird in der Serie überhaupt nicht erklärt, wie und warum sich das Volk so beeinflussen lässt und warum sogar die Tochter von Elendil, Chef der Getreuen, auf einmal so abtrünnig wird. Das Volk wird von Pharazon so manipuliert, als wenn diese irgendwelche Rednecks aus den südlichen US-Südstaaten wäre und in Trump-Manier glaubt, dass die Getreuen Hunde und Katzen essen würden. Dieses Volk ist in der Tolkien-Lore die Hochquelle der Zivilisation. Und in „Ringe der Macht“ der absolut manipulierbare Abschaum. Es dürfte klar sein, aus welchem (gut gemeinten) Impetus das kommt, aber Tolkien eignet sich dann vielleicht doch nicht so ganz besonders für recht plumpe „sozialkritische aktuelle Relevanz“.
3. Akt, Peripetie: Bitte mal ein Buch über Belagerungstechniken ausleihen!
Der Höhepunkt der Serie soll laut den Showrunnern die Belagerung von Eregion sein. Alles arbeitet daraufhin. Nur was sehen wir dann? Eine zerstückelte Scharmützel-Ansammlung, die zusammenhangslos daher plätschert. Ein Elbenheer greift im Charge-Modus an, stoppt dann sofort, weil Galadriel gefangen ist und kämpft dann doch irgendwie vor den Mauern der Stadt? Ein Bergtroll greift an, spielt aber eigentlich kaum eine Rolle und wird von Elben dann in einer Szenerie-Mischung aus der Star Wars -Schlacht von Hoth und dem Kampf gegen die Olifanten in „Die Rückkehr des Königs“ niedergemetzelt. Ein echtes Highlight aber hier: Die Serie spendiert uns am Ende der entsprechenden Folge den ersten echten Metall-Song im Herr der Ringe Kanon! Eine als „Verwüster“ bezeichnete Kampfmaschine wird während der Schlacht aufgefahren, die mit Seilen Steine aus der Mauer der Stadt reißen soll, spielt aber eigentlich keine Rolle, wird in die Luft gejagt, weil eine brennbare Flüssigkeit in einem Eimer daran hängt. Die restlichen Steine werden dann per Hand mit den Resten des „Verwüsters“ aus der Mauer gerissen. Man wünschte, die Autoren und Showrunner hätten sich nur einmal mit einem Buch mit Belagerungstechniken aus dem Mittelalter beschäftigt (als warnendes Beispiel gab es schließlich auch schon das Desaster der Schlacht von Winterfell bei Game of Thrones). Der Vergleich mit der Schlacht von Helms Klamm aus „Die zwei Türme“ wirkt beschämend. Und über niedergestochene und aus dem nichts wiederauferstandene Elben haben wir hier noch gar nicht gesprochen.
4. Akt, Retartierendes Moment: Annatar und Celebrimbor als toxisches Couple
Tatsächlich geschehen Schlüsselszenen der Serie während dieser Belagerung im Inneren der Burg. Und das sind – trotz vieler kritischer Diskussionen zur Serie insgesamt – wahre Highlights. Annatar bzw. Halbrand a.k.a. Sauron, gespielt von Charlie Vickers, als Gaslighting-Schmiede-Boyfriend ist mit Abstand die beste Darstellung in der Serie. Wie er im Zusammenspiel mit Charles Edwards das toxischste Couple, das die Tolkien-Welt je gesehen hat, inszeniert, ist wirklich sehenswert. Die Szenen zwischen den beiden gleichen einem Kammerspiel, bei dem man immer wieder schaudernd den Kopf schüttelt. So überzeugend stellt Vickers den Chefmanipulator Sauron dar! Gut, die Hochelbenschmiede scheinen dann doch arg einfältig zu sein, darauf reinzufallen. Aber das ist ein anderes Thema. Für diese Szenen lohnt sich das Schauen der Serie schon.
5. Akt, Katastrophe oder Lösung: Der Name des Zauberers und die Gründung Bruchtals
Wenn Ihr bis hier hin wirklich gelesen haben solltet, macht Euch auf einen massiven Spoiler!!! gefasst: Der „Fremde“ ist Gandalf! Alles andere wäre aber tatsächlich auch vollkommen sinnfrei gewesen. Die zahlreichen Anspielungen hätten bei Nichterfüllung der Gandalf-Hoffnung dazu geführt, die Serie vollkommen ins Lächerliche zu ziehen. Wobei die „Namensgebung“ im Englischen sich von Gand(Stab)-Elf ableitet, was in der deutschen Übersetzung mit „Groß-Elf“ jeglichen Sinn vermissen lässt!
Es zieht sich durch. Auch bei der ersten Staffel konnte man bei genauem Hinsehen erkennen, dass Halbrand Sauron ist. Die Showrunner spielen dann auch in Staffel 2 beim „Fremden“ mit dem Rätseln und lösen am Ende wenig überraschend auf. OK, das akzeptieren wir! Auch wenn es schon ein sehr plumper Versuch ist, uns als alte Anhänger der Jackson-Filme und der Bücher mit nostalgischen Momenten zu bezirzen. Zumal man den gesamten Strang um den Zauberer und die Proto-Hobbits auch komplett weglassen könnte, ohne dass sich an der Gesamthandlung um Sauron irgendetwas ändern würde – dann hätte man auch mehr Zeit für die überzeugende Darstellung der anderen Orte und Charaktere. Ähnliches gilt für die am Ende dargestellte Gründung Bruchtals als letzten Elbenhort und die Bereitschaft der Elben, den Kampf weiterzuführen. Trotz aller Kritik sind wir natürlich gespannt, wie es weitergeht.
…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
Über das Wiederauftauchen von bekannten Spinnen, Balrogs, Baumhirten und anderen Nostalgie-Momenten brauchen wir auch nicht weiterreden. Die Stoßrichtung ist klar. Die Showrunner wollen die alten Fans ansprechen und neue dazu gewinnen. Klar bei dem aberwitzigen Budget der Serie, das wohl irgendwo zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro liegen dürfte. Und das refinanziert man halt nicht nur mit Tolkien-Ultras, sondern Gelegenheitszuschauern, die sich dunkel erinnern, dass „Herr der Ringe“ doch dieser coole Film mit dem Zauberer und dem gehörnten Flammenmonster war. Es ist, wie es ist.
Was bleibt sonst positiv zu vermerken: Waren wir bei Staffel 1 noch gnädig und neugierig, so gucken wir jetzt schon etwas kritischer drauf. Karten und Musik, Schauwerte und Nostalgie, ein wunderbares Kammerspiel zur Manipulation durch den Chefschurken – das ist schon OK. Aber reicht uns nicht beim „Herrn der Ringe“!
Für die noch nicht offiziell beschlossene dritte Staffel wurde schon einmal der Writer´s Room der Drehbuchautoren ausgetauscht. Wir bieten uns mit ZuArchitekturtanzen für mögliche Vakanzen an. Vielleicht können wir dann am Ende auch ein Lied über uns selbst anstimmen, wie es der gute alte Tom Bombadil am Ende von Staffel 2 macht. Wir würden ihn jedenfalls gern um Rat fragen, wie es jetzt weitergehen soll.
Michael Fürstenberg (Nur er hatte damals Elbenohren an!)
und
Anis Ben-Rhouma (Der bis jetzt noch nie auf einer Tolkien-Convention war, aber gern Tolkien zum Einschlafen hört)
Wenn Blätter fallen,
Welcome to Mordor! Lohnt sich die erneute Reise nach Mittelerde mit der Amazon-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“?
Teil 1:
„Es gibt nur einen Herrn der Ringe“, sagt Gandalf, der allseits bekannte Zauberer seinem dem Verrat überführten ehemaligen Mitstreiter Saruman ins Gesicht, kurz bevor er sich aus seiner Gefangenschaft mithilfe eines Sturzes von Sarumans Turmfestung befreit. Keine Sorge! Gandalf wird von einem der mächtigen Adler gerettet dabei und wenn man über diese Szene nachdenkt, fragt man sich schon, ob die lange Reise der Gefährten und insbesondere der spezielle Exklusiv-Trip Frodos durch Mittelerde mit Schwerpunkt „Dunkelheit und Tod in und um Mordor“ vielleicht hätte etwas kürzer ausfallen können. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Zitat Gandalfs bezieht sich darauf, dass Saruman tatsächlich wohl glaubt, an der Seite des dunklen Herrschers die zweite Geige spielen zu können. Und es ist, soweit wir den Mittelerde-Kosmos richtig durchblicken, die einzige Szene, in der der Titel „Der Herr der Ringe“ tatsächlich auch gesagt wird. Wobei auch die Frage der echten „Durchdringung“ des Themas selbst uns als durchaus nerdige Halbling-Wissende an sich eine echte Herausforderung darstellt. Wurde das nur im Film gesagt? Zumindest in der entsprechenden Szene im Buch sagt Gandalf „nur eine Hand jeweils kann den Ring tragen“, im Bericht über seinen Besuch bei Saruman bei Elronds Rat – aber werden die Worte vielleicht auch an anderer Stelle in diesem riesigen Kosmos, den ein gewisser Tolkien in einem bekannten Buch mit drei Bänden, einem Kinderbuch und zahlreichen undurchdringbaren und unvollständigen Zusatz-Erzählungen in die Welt der Menschen gesetzt hat, irgendwo anders gesagt? Mindestens eine Fragestellung für eine Doktorarbeit!
Klar ist jedenfalls, mit den drei „Herr der Ringe“-Filme von Peter Jackson ist das Ganze endgültig im Mainstream angekommen. Mit einer rein inhaltlichen Verbindung kann man die drei folgenden „Hobbit“-Filme auch zu dieser „Der eine Ring“-Erzählung hinzuzählen, wobei uns beiden allein die Erwähnung der leider auch von Peter Jackson am Ende verantworteten Filme schmerzt.
Packt man das alles zusammen, so ist das diese eine große „Es gibt nur einen Herrn der Ringe“-Geschichte, die auf ewig und hocheilig für Kinder und Enkelkinder in Bücher- und DVD-Regal exklusiv aufbewahrt wird und dann irgendwann widerwillig – ganz so wie Bilbo es mit dem Ring bei Frodo gemacht hat – an eben jene nachfolgende Brut weitergegeben wird. Und jetzt will uns das Böse (Amazon) diesen „Herrn der Ringe“ mit einer neuen Serie zerstören, für die es nicht einmal eine „echte“ Vorlage gibt? Man könnte meinen, es gibt weder in der Sprache der Menschen noch in den Überlieferungen von Elben und Zwergen Worte, die dieses Elend auch nur annähernd beschreiben können. Zumindest erscheint es einem so, wenn man die Kommentare der Tolkien-Puristen, die im „Ring“ und den anderen Hinterlassenschaften Tolkiens die einzig „wahren Worte“ analog der Bibel sehen, im Vorfeld der neuen Serie so liest. Sollten wir aber mal vielleicht von unserem hohen Aragorn-Gandalf-Ross runtersteigern und uns zumindest drauf einlassen? Nur für Euch haben wir es zumindest versucht!
Die Welt ist im Wandel – Doch einige leisteten Widerstand!
Es ist jetzt 21 Jahre her, dass wir gemeinsam mit unserem Elben-Bruchtal-Freund Holger, dem wir auch diesen Text widmen, und einigen anderen „Gefährten“ die nächtliche Vorpremiere der „echten“ ersten „Herr der Ringe“-Verfilmung in einem Braunschweiger Kino sahen. „Die Welt ist im Wandel“ sind die ersten Worte, die man damals hörte. Gesprochen von einer gewissen Galadriel, die auch in der neuen Serie eine wichtige Rolle spielen wird. Der Film beginnt mit einem Prolog über die Schlacht des sog. „Letzten Bündnisses“ von Elben und Menschen gegen Sauron, der tausende Jahre vor den Ereignissen des „Herrn der Ringe“ den einen Ring schmiedete, um die Völker Mittelerdes zu korrumpieren, zu unterjochen und zu beherrschen. In eben jener Schlacht gelang es Isildur – auch dieser wird in der Amazon-Serie eine Hauptrolle einnehmen – den Ring von Saurons Hand abzuschlagen und damit die Völker Mittelerdes zu befreien. Endgültig ist das aber nicht, denn – das ist die Geschichte, die dann in diesem und zwei weiteren Filmen folgt – Sauron kehrt zurück und muss erneut besiegt werden. Was wir bisher wissen und nach vier gelaufenen Folgen der Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ sagen können ist, dass in der Serie, die 5 Staffeln haben soll, wohl alles auf diese eine Schlacht hinauslaufen wird. Die ikonische, aber im Prolog von „Die Gefährten“ recht kurz gehaltene Schlacht-Szenerie wird das große Serien-Finale des eine Milliarde teuren Projektes werden. So viel scheint eigentlich sicher. Alles andere entwickelt sich gerade in mehreren Erzählsträngen, die irgendwann zusammengeführt werden müssen.
Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht
Während das große Vorbild aller TV-Fantasy-Serien, „Game of Thrones“, sich erst allmählich in immer mehr, teilweise weit voneinander entfernte, Handlungsstränge aufgespalten hat, beginnt „Die Ringe der Macht“ von vornherein mit einer Vielzahl von Figuren an verschiedenen Schauplätzen, die erstmal nur eins gemeinsam haben – wie zu Beginn der Filme ist die Welt „im Wandel“. Grob gesagt gibt es vier Handlungsstränge: Da ist zunächst Galadriel – hier noch nicht die weise aber auch „schreckliche“ Herrin von Lothlórien, sondern eine Elben-Kriegerin die im Gegensatz zu ihren Mit-Elben das Böse (Sauron) nicht für besiegt hält, sondern darauf besteht, weiter wachsam zu sein. Wie in unserer Welt (es ist recht offensichtlich, dass die Macher an mehreren Stellen durchaus bemüht sind, Gegenwartsrelevanz zu erzeugen) finden das die Mächtigen eher nervig und wollen Galadriel in den Ruhestand abschieben – diese entkommt dem Versuch jedoch und gelangt zusammen mit dem mysteriösen Halbrand so eher zufällig nach Númenor, dem mächtigen Inselkönigreich der Menschen, von denen später Aragorn abstammen wird. Hier sind die Einwohner größtenteils jedoch eher isolationistisch und tendenziell fremdenfeindlich geprägt und man ahnt, dass es einiges an Arbeit bis zum „Letzten Bündnis“ brauchen wird.
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein
Um ein anderes Bündnis geht es im zweiten Handlungsstrang, der im Nordwesten Mittelerdes spielt und uns Orte in voller Blüte zeigt, die in „Herr der Ringe“ nur noch Ruinen sind: Im Zentrum stehen Elrond, später Herr von Bruchtal, und der Zwergenprinz Durin, die eine alte Freundschaft verbindet, die als Grundlage für eine, man könnte modern sagen, wirtschaftliche Kooperation dienen soll: Celebrimbor, legendärer Elbenschmied, braucht die Zwergenexpertise zum Bau einer besonderen Schmiede – welche natürlich letztlich dem Schmieden der titelgebenden und unheilvollen Ringe dienen wird.
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun, Einer dem Dunklen Herrn und dunklem Thron im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.
Während an diesen beiden Schauplätzen die Welt noch vergleichsweise in Ordnung ist und vor allem viel geredet wird, geht es im dritten Strang in den „Südlanden“ direkt zur Sache: Just als die Elben ihre alte Wache im Sinne der Friedensdividende einstellen wollen, tritt das Böse in Form plündernder Orks wieder hervor, vertreibt die Menschen aus ihren Siedlungen und nimmt die wenigen verbliebenden Elbenwachen als Arbeitssklaven gefangen. Helden dieser Geschichte sind der Waldelb Arondir und die Menschenfrau Bronwyn (unzweifelhaft als Wiedergänger der Konstellation Aragorn – Arwen, deren Liebesgeschichte im Film wiederum im Wesentlichen der Silmarillion-Legende um Beren und Lúthien entlehnt ist). Bedrohlich sind hier allerdings nicht nur die von einer geheimnisvollen Figur, scheinbar einem Elb, angeführten Orks, sondern es zeigen sich auch die ersten Zeichen erneuter Korruption der Menschen durch Sauron – nicht zuletzt an Bronwyns eigenem Sohn, der die Reste eines offensichtlich verfluchten Schwertes versteckt.
Remember Hobbits!
Weniger düster, aber nicht minder geheimnisvoll, stellt sich schließlich der vierte Strang dar: Hier gibt es ein Wiedersehen mit den wahren Helden des „Herrn der Ringe“, den Hobbits, bzw. deren nomadischen „Haarfüßler“-Vorfahren. Ganz im Geiste von Bilbo und Frodo, deren Abenteuerlust von ihren Landsleuten kritisch beäugt wurde, ist die Heldin hier die junge Nori, die sich fragt, ob es da nicht „noch mehr“ in der Welt gibt. Eine Extremform von „Mehr“ fällt ihr schließlich buchstäblich vor die Füße – ein Meteoriteneinschlag entpuppt sich als eine Art „gefallener Engel“, der allerdings optisch verdächtig einem gewissen späteren Zauberer ähnelt (und zwar so verdächtig, dass sogar ohne Kenntnisse des Tolkien-Universums eigentlich klar ist, dass er es nicht sein kann). Dieser nur als „Fremde“ betitelte Charakter weiß dabei selbst nicht (mehr), wer er ist, dass er nicht zufällig nach Mittelerde geschickt wurde, dürfte klar sein.
Adaption oder Interpretation?
Man merkt schon an dieser stark vereinfachten Darstellung (die Übersicht der Besetzung der Serie bei Google umfasst nicht weniger als 30 bedeutende Charaktere), dass „Die Ringe der Macht“ eher nichts für Gelegenheitsschauer ist. Bei der Spekulation, wie sich das alles dann am Ende zur bekannten Schlacht zusammenfindet, haben Tolkien-Fans allerdings zumindest weniger Vorteile als man annehmen sollte – denn neben den aus dem Kosmos bekannten Figuren sind etliche der Helden und Schurken und deren Geschichten Neuerfindungen der Serie. Zwar änderte auch Peter Jackson schon die Vorlage erheblich für seine Verfilmungen (Stichwort: Das skandalöse Fehlen von Tom Bombadil!), bei „Die Ringe der Macht“ scheint es sich allerdings doch eher um eine sehr freie Bearbeitung des Stoffes entlang der etablierten Motive zu handeln. Man kann es den Machern aber auch schwer verübeln: Zum einen umfassen die Ereignisse im Zweiten Zeitalter gemäß den Chroniken von Tolkien vom Schmieden der Ringe der Macht bis zum Letzen Bündnis immerhin ca. 2000 Jahre, zum anderen aber – wenn es stimmt, dass Amazon für immerhin 250 Millionen Dollar „nur“ die Rechte am „Herrn der Ringe“ und v.a. dessen Anhängen gekauft hat – lediglich zwei Seiten (plus verstreuten Referenzen in den Erzählungen der späteren Charaktere). Ein Zusammenraffen der Ereignisse ist dabei wohl ebenso unvermeidlich wie eine gewisse Kreativität, um daraus eine durchgehende und für den durchschnittlichen Amazon-Zuschauer zugängliche Geschichte zu machen. Da ist es im Grunde eine gute Sache, wenn man selbst kein Tolkien-Experte ist und die Ereignisse relativ unvoreingenommen betrachten kann – für Puristen wird es vermutlich dann doch schwer.
Dies erklärt sicher zum Teil den anfangs erwähnten, teils erheblichen Backlash gegen die Serie, den man durchaus unterscheiden sollte von den heutzutage leider üblichen hysterischen Beschwerden, die aus den immergleichen Ecken des Internets kommen, in denen weiße selbsternannte Fans nicht mit dem realen „Wandel der Welt“ klarkommen. Es ist schon so – „Die Ringe der Macht“ ist erkennbar auf Diversity gecastet, doch wen es tatsächlich mangels „Authentizität“ stört, dass es jetzt schwarze Zwerge, Hobbits und Elben gibt, der dürfte die Serie angesichts der massiven Änderungen ohnehin nicht schauen. Zumal viele der vermeintlichen Gewissheiten, was denn das „richtige“ Tolkien-Universum ausmacht, gar nicht so sicher sind: So steht z.B. nirgendwo explizit, dass Elben spitze Ohren haben (es gibt nur eine eher vage linguistische Herleitung in einer Fußnote in einem posthum veröffentlichten Text).
…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
Über Zweifel weitgehend erhaben sind die Schauwerte – man sieht trotz gelegentlich etwas knarzender CGI der Serie das riesige Budget durchaus an; für Freunde der Jackson-Filme wie uns ist insbesondere erfreulich, dass sich die ganze Ästhetik (inklusive von Howard Shore komponierter Titelmusik!) deutlich an ebenjenen orientiert. Inwieweit einem die Charaktere und ihre Darsteller_Innen gefallen, ist sicher etwas Geschmackssache, aber zumindest für uns sticht hier niemand deutlich negativ heraus. Wenn man damit umgehen kann, dass es sich hier eher um eine zeitgemäße Interpretation des Stoffes handelt, denn um eine direkte „Verfilmung“, kann man sich unserer Meinung nach auf Grundlage des bisher Gesehenen insgesamt durchaus auf die kommenden Jahre „Ringe der Macht“ freuen – zumal durch das weitgehend festgelegte Ende weniger die Gefahr besteht, dass die Macher die vielen Figuren und Handlungsstränge zum Schluss nicht mehr vernünftig zusammenbekommen, wie es bei „Game of Thrones“ leider der Fall war. Wer Angst hat, mangels guter Vorkenntnisse hier ausgeschlossen zu sein, kann jedenfalls beruhigt sein – im Grunde ist es sogar einfacher, wenn man mal als Jugendlicher das Buch gelesen und später die Filme geschaut, aber ansonsten wenig Ahnung vom Tolkienschen Legendarium hat. Angesichts der Milliarde, die Amazon in diese Prestige-Produktion gesteckt hat, ist das vermutlich auch kein Zufall.
Welcome to Mordor! Wir sind jedenfalls heiß und gespannt darauf, welche Gestalt Sauron denn wirklich angenommen hat.
Teil 2:
Who the Fuck is Sauron? - Der große Olifant im Raum
Achtung: In dieser Tiefenanalyse der bedeutsamen Ereignisse aus der ersten Staffel von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ kommen massive Spoiler vor. Ihr seid also gewarnt! Wenn Ihr es noch nicht gesehen habt, lest gerne noch einmal den vorangegangenen ersten Teil unserer Einschätzung und schaut erstmal die Serie. Oder lest einfach weiter, wenn Euch eh alles im Leben egal ist 😊.
Mehrere Wochen sind jetzt vergangen, seitdem die achte und vorerst letzte Folge der neuen „Herr der Ringe“-Serie ausgestrahlt wurde. Und auch wenn ein paar Wochen im Leben eines Elben nicht einmal ein Wimpernschlag sind, so hatten wir dann doch ein wenig Zeit, um unsere Gefühle in Bezug auf „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ etwas zu ordnen und zu reflektieren. Da der „Herr der Ringe“ für uns beide eine schon recht gewichtige Rolle im popkulturellen Entwicklungsleben gespielt hat, erscheint uns das aber mehr als angemessen.
Vorab lässt sich sagen, dass einige große Fragen der Serie am Ende aufgelöst wurden. Aber bei weitem nicht alle und das ist auch teilweise verständlich, da noch mehrere Staffeln folgen sollen. Die zentrale Frage der ersten Staffel der Serie war immer, wie es eigentlich um den großen Bösewicht steht. Darauf hat die Serie hingearbeitet und auch im Nachhinein wird immer deutlicher, dass das zentrale Leitmotiv hier war.
Das gaben die Showrunner selbst auch zu und haben dabei bewusst mit den Fragezeichen in den Köpfen der Schauenden gespielt. Hat es geklappt? Nunja, es gab bereits nach der zweiten Folge recht zielgenaue Spekulationen im Netz, wer denn jetzt Sauron sei. Die ganze Storyline ist mehr oder minder darauf ausgerichtet. Galadriel ist geradezu besessen vom Dunklen Herrscher und der Jagd auf ihn, weil dieser ihren Bruder getötet hat. Rache als Motiv einer Vertreterin eines sonst so edlen Volkes – auch das eine Deutung, an die sich die Tolkien-Kennenden erst einmal gewöhnen mussten, auch wenn das Potential einer dunklen Seite Galadriels im „Herr der Ringe“ ja angedeutet wurde..
Auch bei den Szenarien in den Südlanden war – auch hier relativ früh – klar, dass sich hier das Schattenreich Mordor entwickelt und Sauron zwangsläufig auf den Plan treten würde. So absehbar halt, dass es dann auch in Folge 8 endlich passierte bzw. öffentlich gemacht wurde. Vorher gab es dann aber doch noch ein paar falsche Fährten, die von den Showrunnern gelegt wurden.
Der Ork-Elb, der Meteor-Man und der schiffbrüchige Halbrand
Bei den großen Theorien, die sich darum drehten, wer Sauron denn nun sei, kristallisierten sich schnell drei Hauptstränge heraus. Adar, der neu eingeführte „Vater“ der Orks, ein wohl vom Bösewicht-Übervater Morgoth (auch Melkor genannt) persönlich verführter und „verdorbener“ Elb, erklärte zumindest in einer Folge nach dem Ausbruch des Vulkans, der im späteren Verlauf der Schicksalsberg wird, dass die Südlande jetzt Mordor heißen. Und das stellten die Macher der Serie mit einem selten dämlichen Überschreiben der Ortsangabe auf dem Screen für die Schauenden dann auch noch einmal ganz plastisch dar, damit es auch wirklich jeder versteht. Doch Adar ist es nicht. In einem Verhör durch Galadriel hat er sogar seine Abneigung gegenüber Sauron kundgetan und gab dann an, dass er ihn sogar getötet haben soll.
Beim sog. Meteor-Man, der vom Himmel „fiel“, wollten uns die Showrunner sogar noch in der letzten Folge (doch einigermaßen durchschaubar) an der Nase rumführen. Die drei Wesen, die im Land der Haarfüße ihr Unwesen trieben, sind auf der Suche nach Sauron und somit seine willfährigen Anhängerinnen. Ihre Enttäuschung war groß, als sie bemerkten, dass der Meteor-Man dann doch „gut“ sei und wollten ihn dann entsprechend niederringen. Durch die Nutzung eines Zauberstabes konnte Meteor-Man jedoch sich und die Haarfüße verteidigen. Den Verlust des Haarfuß-Obermeisters und lieb gewonnen Anführers mussten sie dann doch verkraften. Ein tatsächlich hoch-emotionaler Moment in der Serie, der einen mitgenommen hat. Also der Meteor-Mann ist auch nicht Sauron. Dass er ein Zauberer ist, wird mehr als deutlich. Auch die Sauron-Anhängerinnen sagen, der Meteor-Man ist nicht Sauron, sondern ein Istar! Die Istari sind Zauberer, die von den großen Weltenbestimmern – den Valar, gottähnlichen Wesen – auf die Welt geschickt wurden, um viel mehr gegen Sauron und das Böse zu kämpfen. So sagt es zumindest das Erbe Tolkiens. Ob es tatsächlich einer der uns bereits bekannten Zauberer aus den Filmen von Peter Jackson ist, wurde nicht abschließend geklärt. Vieles spricht aber dafür, dass Publikumsliebling Gandalf wieder Screen-Time erhält („Im Zweifelsfall folge immer deiner Nase“, zitiert der noch Namenlose am Schluss sein zukünftiges wahrscheinliches selbst).
Womit wir damit beim großen Olifanten im Raum wären: Halbrand ist Sauron! Und das ist keine wirklich große Überraschung. Man war fast schon gewillt, sauer zu werden, wenn es nicht so gewesen wäre, da die zahlreichen und immer wieder kehrenden Andeutungen darauf während aller Folgen mehr als präsent waren und eine andere Variante spätestens mit seiner Rolle beim Schmieden der titelgebenden Ringe gar keinen Sinn mehr ergeben hätte. Ein neuer Twist oder gar eine Verschiebung der Auflösung auf die nächste Staffel hätte der Serie unserer Meinung nach viel an Glaubwürdigkeit gekostet und das Publikum ein wenig für dumm verkauft. Schlimmer vielleicht noch als die Frage, wer denn J.R. Ewing erschoss, die bei der 80er-Jahre-Serie „Dallas“ für Höchstspannung auf die nächste Staffel sorgte und deren Plot sogar Einzug bei den Simpsons hielt. Die Älteren von Euch kennen vielleicht „Dallas“ und möglicherweise auch noch „Die Simpsons“ in alter und guter Form. Im Großen und Ganzen ergibt es schon Sinn, dass Halbrand Sauron ist. Sauron ist auch in der Tolkien-Legende ein sog. Gestaltwandler und kann daher andere Gestalten mühelos annehmen.
Tatsächlich beeindruckend für uns war der Versuch Halbrands aka Saurons, Galadriel für sich zu gewinnen. Das führte auch zu einem wirklich ikonischen Bild, das beide als dunkle Herrschende über die Welt in einem Spiegelbild im Wasser zeigte. Wer Galadriels Verführbarkeit aus dem Herrn der Ringe kennt – sie lehnt hier die Übergabe des einen Rings von Frodo an sich ab, da sie die Macht dabei fürchtet – konnte zumindest einen Augenblick des Überlegens bei ihr erkennen (auch hier greifen die Autoren auf ein mehr oder weniger direktes Zitat aus der oben erwähnten Sequenz zurück – Stichwort „Stärker als die Grundfesten der Erde!“..). Eine wirklich starke Szene, aber es kam natürlich anders. Sauron wurde enttarnt und die drei Ringe der Elben – deren Schmieden Sauron in Gestalt von Halbrand vorher in der Elbenschmiede Celebrimbors unterstützt hatte – wurden dann doch von den Elben selbst geschmiedet. In der letzten Einstellung sieht man Sauron, immer noch in Gestalt von Halbrand, Mordor betreten. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.
Ausblick:
Ein erneutes Fazit bleibt an dieser Stelle aus. Viel ist dem schon im ersten Teil geschriebenen Endworten nicht hinzuzufügen. Bei aller berechtigten Kritik sind wir insgesamt doch ganz froh, dass die „Der Herr der Ringe“-Geschichte in einer anständigen Form wieder ins TV gebracht wird, wobei es die Autoren bei dem etwas gimmickhaften und durchschaubar auf Internet-PR angelegten „Rätselspiel“ um Sauron unserer Ansicht nach etwas übertrieben haben. Bei solch einer teuren Produktion kann man sich aber wohl nicht immer zwangsläufig an die teilweise auch manchmal ermüdende Tolkien-Literaturvorlage halten. Wenn die Puristen es nicht sehen wollen, sollen sie es halt lassen.Womit wir dann auch beim möglichen Ausblick auf das Folgende wären.
Bei der Serie orientierten sich die Showrunner an Auszügen aus „Der Herr der Ringe“ und vor allem seinen Anhängen. Wie oben schon beschrieben ist das Material hier eher dünn. In dem vierten Band zu den klassischen Büchern – „Anhänge und Register“ – finden sich einige Hintergründe: Hier wird die Herkunft der zwei Bäume Numenors beschrieben. Auch die Königsfolge und der bereits in der Serie angekündigte Untergang Numenors finden sich hier in einigen Zeilen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Sauron noch einmal nach Numenor kommt – möglicherweise in einer anderen Gestalt. Die Menschen aus Numenor gründen irgendwann das Königreich Gondor. Auch hierfür ist der Grundstock in der Serie bereits gelegt. Auch finden sich hier noch einmal weitergehende Informationen zu den einzelnen Völkern und deren Herkunft. Insbesondere dürften die Orks und ihr Verhältnis zu Sauron noch einmal eine gewichtige Rolle einnehmen, da Sauron sie ja wieder für sich gewinnen muss, um die großen Ring-Kriege dann auch mit einer Armee im Rücken führen zu können. Interessant wird auch, wie es mit den durchaus gelungenen Zwergen-Geschichten in Moria weitergeht (Stichwort: Durins Fluch) und was mit Meteor-Man und der Haarfüßin in Rhun, im Osten passieren wird. Die kampfbereite Figur auf dem Bild oben ist ein Ostling und wenn man diese aus den Jackson-Filmen kennt, ahnt man nichts Gutes.
Spannend dabei ist auch eine Neuveröffentlichung bzw. Neuzusammenstellung von Tokiens Erben, die – ganz zufällig wohl kaum – nach dem Ende der ersten Staffel auf den Markt gekommen ist. Sie trägt den Titel „Der Untergang von Numenor“. Sicher wird es hier drin Hinweise und Leitlinien geben, auf die sich die Serie beziehen kann. Aber wir bleiben mit Vorfreude und einer zwergischen Neugier gespannt auf das, was da noch kommen mag.
Mellon!
Micha von Lothlórien, Schreiberling am Hofe Galadriels
und
Anis von Kazad-Dhῠm, Steine-Zerklopper auf der Suche nach Mithriel
Hört Ihr mich?