Arbeitslieder Teil 2

Spirituals, Worksongs, Gospel, Blues und Rap in den USA – Menace to Society?
Ich bin sicher kein Experte in Blues und Rap und all ihren Vorgängervarianten, aber für die USA dürfte klar sein, dass diese Stilrichtungen auch für die Arbeiter*Innenbewegung eine wichtige Rolle einnehmen. So hat der Blues seine Wurzeln in Liedern der Sklav*Innen, die zwangsverschleppt in die USA wurden und auf den Plantagen der Südstaaten die harte Arbeit dort unbezahlt und unfrei verrichten mussten. Ihre Lieder gaben ihnen Halt und sie konnten erst mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg ihre Würde erkämpfen. Eine kurze Internet-Recherche bei eingängigen Plattformen ergibt, dass sich die schwarzen Sklav*Innen mit sog. Worksongs auf den Plantagen von der monotonen Arbeit abgelenkt haben. Ein Beispiel hierfür ist Lightning-Long-John (hier gesungen von einer Strafkolonne). Abends am Lagerfeuer gab man sich dann mit Spirituals gegenseitig Mut. Einer der bekanntesten Songs ist dabei wohl „Go down Moses“, hier in der Version von Louis Armstrong.

Aus dieser Zeit stammt auch das Lied „John Brown´s Body“ über einen getöteten Wegbereiter der Sklavenbefreiung. Aus dem Lied entwickelte sich während des Krieges die nationenweite „Battle Hymn oft he Republic“. Da es im „Civil War“ hauptsächlich um unterschiedliche Wirtschaftssysteme mit unterschiedlichen Arbeitshintergründen (Norden: Aufkommende Industriearbeiter*InnenSchaft, Süden: Sklaverei in der Landwirtschaft) und dem zentralen Thema Sklaverei als Zwangsarbeit ging, sind die hier entstandenen Songs wenngleich hauptsächlich Kriegslieder im weiteren Sinne aber auch Arbeitslieder. Wichtiger für die musikalische Entwicklung waren dabei aber sicher die Gospellieder der jetzt freien Sklav*Innen, aus denen später der Blues entstand.

Wer sich mit dieser Geschichte länger befassen möchte, der oder dem empfehle ich, mal wieder „Blues Brothers“ zu schauen. Jake und Elwood „erklären“ hier umfassend die Geschichte der „schwarzen“ Musik. Ganz interessant in Hinblick auf die Aneignung bzw. Annexion „fremden“ Kulturgutes ist hierbei die Tatsache, dass die Blues Brothers selbst und Teile der Band weiß sind. Darf man das heute noch? Ich halte es hier mit dem Argument, dass bei der derartigen Verehrung, wie die Blues Brothers ihren Vorbildern entgegentreten, für in Ordnung. An anderer Stelle hatten wir bereits dieses Thema.

Wer aber weiter in dieser Tradition bleiben möchte, kann sich gerne und vertieft mit den großartigen aktuellen Künstlern Michael Kiwanuka, Curtis Harding und Leon Bridges beschäftigen. Als Anspieltipp hier der Song „Katchi“ von Nick Waterhouse zusammen mit Leon Bridges. Auch das eine Compilation von Schwarz und Weiß, die funktioniert.

Aus dieser beindruckenden schwarzen Musikgeschichte in den USA haben sich dann später auch Rap und Hip-Hop entwickelt. Auch wenn die Sklaverei abgeschafft wurde, so müssen Schwarze in den USA heute immer noch mit Rassismus, Polizeigewalt und Diskriminierung rumschlagen. Insbesondere auch auf dem Arbeitsmarkt. Charakteristisch hierfür ist der 90er Jahre Film „Menace to Society“, der bedrückend vorführt, wohin diese Umstände führen. Die Schwarzen werden dann als Bedrohung (Menace) für die weiße Mehrheitsgesellschaft angesehen. N.W.A (N-Word-Guys with Attitudes) als eine der zentralen Rap-Bands haben ihre gesamte Energie aus diesen Umständen gezogen. Wer „Straight outta Compton“ in seinen Lebenslauf hat, hat in dieser Denke außer einer kriminellen Laufbahn oder einer Rap-Karriere vielleicht nur noch die Chance Basketballstar in den NBA zu werden. Denn hier ist klar: „White Men can´t jump“ Ein weiterer schwarzer Musiker trägt das Arbeitsgerät dann sogar im Namen. Und wer die knapp 15 Minuten hat, schau sich gerne einmal diese „2 Legit 2 Quit"-Version von Hammer (formerly known as MC Hammer) an, bevor er den nächsten Job aus Frust aufgeben will. In vielerlei Hinsicht ein Geheimtipp und absoluter Genuss! Besonders für Montage oder nach dem Urlaub geeignet. FunFact am Rande: Nachdem Hammers Karriere bergab ging, wandte er sich dem christlichen Glauben zu und begann christliche Rap-Musik zu machen. In gewisser Weise also Back to the Roots – zurück zu den Spirituals und dem Beginn schwarzer Musik in den USA.

Der Einfluss von echtem Gangstar-Rap auf die Jugendsubkultur auch in Deutschland ist dennoch omnipräsent. Bei aller berechtigten Kritik an gesellschaftlichen Umständen hierbei frag ich mich aber schon, warum das Ganze eigentlich auch selbst immer gewaltverherrlichend, brutal und frauenverachtend sein muss. In einem seiner zentralen Arbeitssongs führt Thees Uhlmann, der deutsche Bruce Springsteen der Arbeiterklasse aus Hemmoor, diese Kritik aus. In „Ich bin der Fahrer, der der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“ macht er dabei seine Motivation deutlich: „Ich konnte heute Nacht nicht schlafen und bin immer noch benommen. Aber jeder muss was tun, um über die Runden zu kommen.“ Womit wir dann auch wieder in Deutschland und seinen Arbeitsliedern wären.

Glück auf, der Steiger kommt!
Eines der wichtigsten deutschen Arbeitslieder ist und bleibt dabei das Steigerlied oder auch bekannt als Steigermarsch. Auch wenn der Bergbau in Deutschland auslaufen wird, kann dieses Traditionslied natürlich auch für alle anderen Arbeitsbereiche gesungen werden. Denn es handelt hauptsächlich von Solidarität und Zusammenhalt. Werte die auch auf dem letzten Gewerkschaftskongress der IG BCE eine zentrale Rolle spielten.

Hier wurden zwei Arbeits-Songs erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert. Die sonst für Kölner Karnevalsmusik bekannte Band Brings hat mit „Unser Zuhaus“ ein klares Statement für die Gewerkschaftsbewegung gesetzt. Karnevalsmusik ist nicht jedermanns Sache. Aber im Spektrum der ganzen Kapellen (ich war mal ein halbes Jahr in Köln und habe viel, sehr viel davon gehört) ist Brings wirklich schon ganz in Ordnung 😉.

Den zweiten Song präsentierte dort Bergbau-Mitarbeiter Lars Katzmarek mit seinem Song „Unsere Perspektive“, der in einem berührenden Appell seine Stimme für die Menschen in der Lausitz erhebt. Der Song ist explizit keine Forderung nach der weiteren endlosen Verfeuerung von Braunkohle, sondern eine progressive Botschaft an alle Verantwortlichen, sich für die Kumpels und Kolleg*Innen einzusetzen. Somit steht auch Kumpel Lars in der großen Tradition der Arbeitslieder. Menschen brauchen Hoffnung und arbeitende Menschen brauchen Perspektiven.

Fazit – und ein sozialkritische Schlagzeugsolo später
Böse Menschen kennen keine Lieder! Mit diesen bekannten Worten begann diese kleine Reise durch die Welt der Arbeitslieder, die natürlich nur einen kleinen Ausschnitt des Themas abbildet. Es bleibt aber festzuhalten, dass die „andere“ Seite keine bekannten, eingängigen Songs herausgebracht hat. Wie sollen sich diese auch anhören? Der kapitalistische Arbeitgeber-Chor singt heimlich auf Konferenzen in abgeschirmten überteuerten Kongresszentren von der Ausbeutung ihrer Leute und dem steigenden Aktienkurs? Nein, Arbeitslieder sind den Menschen vorbehalten und auch ihnen gewidmet, die tagtäglich schaffen gehen, um sich und ihre Familien über die Runden zu bringen. Manchmal schaffen sie dabei auch den Aufstieg, aber das ist ein langer Weg. Um es am Ende mit zwei Songs einer echten jahrzehntelangen Arbeitsband zu sagen: Es gilt auch hier, „it´s a Long Way to the Top (if you wanna Rock´n´Roll)“ und wir verneigen uns in großem Respekt vor Euch: „For Those About to WORK (We salute you)“
 



Wer sich für eine Mischung aus Punkrock und klassischer Musik der 
Arbeiter*Innenbewegung interessiert, hört hier vielleicht mal rein.