Born to be Lana Del Bilderbuch: Zwei tolle Menschen - Eine Band
Liebe Gemeinde,
im Folgenden seht Ihr was Neues auf unserer Seite: Ein Double-Feature von zwei Menschen, die sich nicht einmal kennen. Aber ich denke, wenn sie sich kennen würden, würden sie sich blindlings verstehen. Musikalisch und auch auch so. Ich stelle sie Euch kurz vor:
Über Bastian:
Zu Bastians Geburtstag habe ich schon einmal ein zweiteiliges Österreich-Special geschrieben, daher verstehe ich seinen Punkt auch nicht, dass er bei der Band Bilderbuch kein Experte ist. Klassisches Understatement eines gewieften Intellektuellen! Zur Anbahnung dieses Textes verweise ich auf den dokumentierten Schriftverkehr hierzu. Der Loges, wie er in Fachkreisen genannt wird, hat mir nicht nur einmal zu einem Text abgesagt, sondern ich glaube, es waren sogar drei Anfragen. So musste ich zu härteren Maßnahmen greifen und sagte ihm: "Du bist wahrlich eine Diva!". Seine Antwort: "Diva aus DEINEM Mund ist eine Ehrung!." Ansonsten eint uns neben vielen Dingen auch die Liebe (im musikalisch-künstlerischen Sinne) zu Lana Del Rey, was auch in seinem Text zum neuen Bilderbuch-Album deutlich wird. Auf meinen Hinweis zu Lanas Art, irgendwie toxische Männlichkeit zu verherrlichen, sagte er nur: "Das blende ich aus". Hat er ja auch tatsächlich kein Thema mit. Aber mir nach der Veröffentlichung unseres Star Wars-Videos vorwerfen, dass ich ein echter CisHet bin! Musste ich dann erstmal googlen, was er damit überhaupt meint. Sei´s drum: Der Text ist mehr als fein geworden. Thanks for these Moments!
Über Sandra:
Sandra habe ich im beruflichen Kontext kennengelernt. Und Ihr wisst ja, wie das bei einem Job ist: Wenn er erledigt werden muss, könnt Ihr Euch überlegen, ob Ihr fünf Männer einstellt und dabei die Hoffnung haben, dass derjenige, der die dicksten Eier hat und den unausweichlichen Hahnenkampf gewinnt, auch in der Lage ist, das Ganze dann auch zu erledigen oder Ihr nehmt die beste aller Lösungen hierfür: Eine Frau. So ist es auch mit Sandra im Job. Aber das Schönste hierbei ist, dass wir uns auch privat angefreundet haben. Bei Bilderbuch ist Sandra FanGirl im positiven Sinne. Das merkt man bei ihrem Konzertbericht. Und ja, ich komme der Aufforderung (oder ist es eine Einladung?) nach und komme gern mit zum nächsten Bilderbuch-Konzert. Gerne hätte ich mit Sandra auch die Ramones oder The Clash gesehen. Das geht leider nicht mehr. Aber ich schlage The Police vor, falls sich Sting, der sicher eine noch größere Diva als der Loges und ich zusammen ist, dazu noch einmal herablässt. Und sonst hören wir einfach die entsprechenden Platten und trinken Wein. Und Danke für die Bilder!
Amore!
"Gelb ist das Feld" - Das neue Bilderbuch-Album (Bastian Loges)
Ich bin kein Bilderbuch-Experte und kann mit keinerlei vertieftem Wissen über die österreichische Kapelle aufwarten. Weder weiß ich mit Sicherheit, wie die Mitglieder heißen, noch kann ich etwas über Einflüsse oder Bandhistorie beisteuern. Auch ihre aktuelle Popularität kann ich nicht gut einschätzen. Aber: Während ich mich auf das hier vorbereitete (Anmerkung des Redakteurs: Müsste nicht vorbereitete in Blockschrift stehen;), merkte ich schnell, dass das völlig egal ist. Mein Fanboitum ist allein emotional und relativ assoziativ. Deshalb ist mir eigentlich auch unklar, warum Meister Ben Rhouma mich für eine Besprechung des neuen Bilderbuch-Albums „Gelb ist das Feld“ angefragt hat. Weil ich ihm im letzten November aber schon meine (vorhandene!) Expertise zu ABBA vorenthalten habe, muss ich nun wohl ran und Dinge über Bilderbuch, heiße Tage auf Ios und lange Stunden in Bruxelles Midi teilen. Folgt mir für mehr Ichbezogenheit in Rezensionen.
Bilderbuch. Dummer Name, dachte ich immer. Aber dann auch wieder nicht, denn er lädt zu einem sehr naheliegenden Aufhänger ein: Ihre Songbooks sind tatsächlich voll mit prächtigen, großformatigen Bildern, die sich weder einem Stil noch einer Epoche eindeutig zurechnen lassen. Was sie aber immer tun, ist, einen Augenblick zu fixieren. Gerade diese Fähigkeit der Band, in den Moment reinzugehen und ihn musikalisch zu mehren, beeindruckt mich nachhaltig. Mittlerweile schon seit Jahren. Jenseits der großen frühen Singles begann mein aktives Bilderbuch-Hören zwar schon halb mit „Magic Life“, aber eine Ahnung ihres Könnens bekam ich erst durch die beiden Nachfolgealben.
Weil mein Eurostar nach London ausfiel, hatte ich plötzlich einen vierstündigen Aufenthalt am Brüsseler Südbahnhof. „Mea culpa“ und „Vernissage my heart” waren kurz zuvor im Abstand von nur zwei Monaten veröffentlicht worden und liefen an diesem Februartag in Dauerschleife – auch weil mein Abspielgerät nicht internettauglich war und somit gehört werden musste, was halt drauf war. Und ja, das hätten vier sehr triste Stunden des Leerlaufs werden können. Wurden es aber nicht. Stattdessen gab es Nachhilfe für die Wahrnehmung des Moments: Sowohl fordernd und wachmachend als auch mäandernd und meditativ. Einfach mal sitzen, Leute begucken, Lächeln ohne Flirten, Stillstand genießen und sich auf eine Band einlassen, die ich eigentlich als Teenie-Phänomen wegsortiert hatte. Und siehe da: Die Gesamtsituation bekam einen Glanz, den sie vorher nicht hatte. Diese vier Stunden waren in jedem Moment fein.
Kurzer Exkurs: Für Musik gibt es bei mir seit Jahrzehnten den Ios-Test. Stell Dir dazu vor: Die Kykladen-Insel Ios macht sich bereit für einen weiteren Tag. Wir sind alle gnadenlos (und) jung, die Mittagshitze verlangsamt den Moment, eine basslastige Anlage beschallt den Pool und der Alkohol ist schon wieder kühl. Die Farben sind auch ohne Sonnenbrille fantastisch, die Erinnerung wird immer nach Sonnencreme riechen. Ein guter Moment. Seit diesem Vormittag im Sommer 1995 stelle ich mir beim Musikhören oft die Frage, was die aktuelle Musik auf meinem Kopfhörer oder Plattenteller für diesen Moment tun würde. Könnte sie dort überhaupt funktionieren? Würde sie den Moment intensiver, reicher, bunter machen? Zeit-, end- oder schwerelos gar? Besteht Musik den Ios-Test nicht, ist das nicht schlimm. Dann fokussiert sie nicht auf den Moment und legt sich um ihn, sondern schafft eine Stimmung, die den Moment für Dich definiert und Dir sagt, dass es nun heiter, traurig, verzweifelt, frisch verliebt sein soll. Das ist auch oft großartige Musik, aber sie passt nicht immer. Ios-Musik ist hingegen Musik für den Augenblick. Bilderbuch bekommen im Ios-Test eigentlich immer Bestnoten.
Bilderbuch haben ihr Handwerk gelernt
Klar, denn: Diese Menschen verstehen ihr Handwerk. Besonders ist dabei: Stimme, Text oder Sprache sind bei Bilderbuch ein weiteres Instrument. Diesmal gibt es ein „Schuscha“ hier, ein „Schanalala“ dort. Und mir fällt niemand ein, der*die so etwas auf Deutsch mit englischen Sprengseln so könnte wie Maurice Ernst. Vielleicht Haiyti. Und damit ist eine weitere Assoziationsbrücke geschlagen: Zu einer musikalischen Haltung, in der Gitarren immer auch an das Wissen um Funk, Cloud oder Trap auch gekoppelt sind. Jenre oder Gender doesn‘t matter. Aus allem wird jeweils das mitgenommen, das den Moment dehnt und zugleich den Beginn einer endlosen Achterbahnfahrt verspricht. Das muss maus (Anmerkung des Redakteurs: Siehe Fußnote 1 unten, spätestens seit der Zeit mit unserem gemeinsamen Lehrmeister wissen wir, dass das die Wichtigste ist und der Autor hier ein zentrales Statement abgibt) erst mal hinkriegen.
Neu aber anders und immer für den Moment!
„Gelb ist das Feld“, also. Angesichts neuer Alben stellt sich ja stets die Frage, ob und was es denn nun wirklich Neues gibt. Fast könnte maus denken, dass sich bei Bilderbuch über die Zeit kaum etwas verändert hat. Stimmt. Und auch nicht. Denn darin sind sie wahrscheinlich Lana del Rey sehr ähnlich, deren Musik auch immer irgendwie vertraut und sehr eigen klingt und erst beim vergleichenden Hören verschiedener Schaffensperioden deutlich wird, dass die Zutaten sich verändert haben. Und dass es das Charisma der Beteiligten und ihre Kunst, den Moment zu verstärken, die entscheidenden Qualitäten sind, die alles zusammenhalten. Auch Sandra schreibt in ihrem Bericht vom Berlin-Konzert weiter unten, dass sich mit dem Album im Auftreten und auch im Sound der Band etwas verändert hat. In der Tat ist da eine kalifornische, softrockige Leichtigkeit, die sich in den Bilderbuch-Klang gut einfügt und neue Möglichkeiten eröffnet. Und dennoch klingen sie ganz wie sie selbst. Besonders und deshalb leicht zu erkennen, zugleich dann aber doch neu und anders.
Nun sitze ich auf einem Hamburger Balkon, schaue auf den Hafen und lasse mir von Maurice Ernst und vom heimlichen Star des neuen Albums – Gitarrist Michael Krammer – den Moment einbrennen. Dabei fällt wieder auf: Die Singles sind ziemlich gut. Aber wie fast immer bei Bilderbuch sind es die Albumtracks, die entscheidend sind und bei denen die Klasse der Band deutlich wird. Es ist einfach lässig, mit welcher Beiläufigkeit hier Hymen gezimmert werden, mit welcher Zartheit ein Refrain daherkommt und immer wieder bemerkenswert, wie eine Coda den Augenblick auflöst und die Zeit still zu stehen scheint – wie die Mittagshitze auf Ios. Beispiele gibt es auch diesmal zur Genüge. Das Nachhallen von irgendwas ganz Großem in „La Pampa“: Ein Moment. Der Rhythmus, mit dem das gemurmelte „Schwarzes Karma“ sehnsuchtsvoll wird: Ein Moment. Die räumliche Weite, die „Gelb ist das Feld“ zu entfalten vermag: Ein Moment. Und wie schließlich „Bergauf“ im Mantra aufgeht: Ein Moment.
Seit einer Woche habe ich nicht viel anderes als das neue Bilderbuch-Album gehört und eine Vielzahl kleiner Momente im Alltag gehabt. Ich würde sagen: Eine gute Woche, sehr momentig.
Fazit – Und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
Was soll maus nun über eine Band abschließend sagen, die fast am schlechtesten ist, wenn sie einen „richtigen“ Song mit den üblichen Bestandteilen schreibt. Das liegt einfach daran, dass Bilderbuch eigentlich nur episch können. Hymnen für den Augenblick. Zum Glück heißt das eben nicht, dass sie purer Zeitgeist sind und dass maus „Gelb ist das Feld“ in 12 Jahren nicht mehr auflegen könnte. Im Gegenteil. Denn: Der Moment ist ja immer jetzt. Vielleicht habe ich auch deshalb aufgegeben, diese Band fassen oder verstehen zu wollen. Und mich einfach drauf einlasse. Call it Alter, Weltkrisen-Eskapismus or else – wenn eine Kapelle solche Möglichkeiten des Eintauchens in gute Momente ermöglicht, greife ich zu.
Fußnote 1: Falls Sie mit der akkuraten Verwendung von „maus“ nicht vertraut sind – das ist nichts, wofür maus sich schämen muss. Schauen Sie gerne bei Hengameh Yaghoobifarah vorbei - Hengameh twittert unter dem bezaubernden Namen „habibitus“ - wenn Sie dieses Twitter-Ding machen.
Bilderbuch - Der Fanbericht (Sandra Saeed)
Bilderbuch in der Philharmonie? Werde ich auf meinem Polsterstuhl sitzen und nach jedem Stück kultiviert klatschen? Mitnichten! Bilderbuch ist eine großartige Live-Band, die es versteht, die Stimmung auch in einem klassischen Konzerthaus schnell hochzufahren: nach dem ersten Song tanzten wir, nach zwanzig Minuten waren wir ausgelassen und als Maurice bei "Bungalow" die Arme wie ein Priester ausbreitet und „Ich brauch mehr Strom!“ singt, knallen wir alle glücklich durch.
Solide anderthalb Stunden präsentiert die Band profilierte und doch tanzbare Songs, aus meiner Sicht stark vom Rock der 70er und 80er inspiriert. Eine Hommage an diese Zeit waren auch die Klamotten – in warmen Farben längs gestreifte Schlaghosen. Klingt erstmal scheiße, aber das Outfit wurde sehr lässig präsentiert und sah tatsächlich geil aus; vor allem auch, weil Maurice eine so wunderbare Körpersprache hat.
Musikalisch gab es für mich ein besonderes Highlight, als Michael Krammer auf einer doppelhalsigen Gitarre spielte (Anmerkung des Redakteurs: Fangirls lassen sich so leicht beeindrucken. Diese Gitarre macht nicht viel mehr als eine normale, sieht nur besser aus;). Und dann kam die Zugabe, die wir uns mit ganzer Kraft erschrien, erpfiffen und erklatscht haben: Vier Top-Songs …. und das Finale war natürlich "Maschin". Es gab kein Halten mehr. Die ersten zwei Strophen durften wir alleine singen und Maurice beschränkte sich auf den Kreischton. Es war ein wundervoller Abschluss eines wundervollen Konzerts und beim nächsten Live-Act in Berlin schleppe ich Anis mit.
Danke an Euch both. You are always candy!
Zum Feiertag: