Respekt, wer´s selber macht!
Das Special zum Record Store Day 2022
Heute ist Record Store Day. Ein Tag, bei dem kleine Plattenläden auf sich aufmerksam machen wollen. So war es früher jedenfalls. Jahr für Jahr pilgern die Jünger und wenige Jüngerinnen des Plattengottes in ihre Lieblingsläden, um sich speziell für diesen Tag herausgekommene Releases oder Re-Releases zu besorgen. Und was soll ich sagen: Früher war ich dabei! Mit wohliger Erinnerung denke ich daran, als ich mir vor Jahren die erste Markus Wiebusch EP auf Vinyl mit drei Songs geholt habe. Das war wirklich exclusive! Und heute? Heute habe ich mir nicht einmal mehr die Veröffentlichungsliste angeschaut. Jeder Laden – auch die großen Ketten – macht jetzt mit. Die Veröffentlichungen sind unfassbar teuer geworden, Menschen, die Platten nicht lieben, sondern nur damit Kohle machen wollen strömen in die Shops und ob man nun die zehnte Version einer 12inch Version von „Let it Be“ oder Ähnlichem wirklich braucht, lassen wir mal dahingestellt. Was man definitiv nicht braucht, ist eine Vinyl-Erscheinung von Peppa Pig (auf Deutsch: Peppa Wutz) in Pink. Peppa Pig braucht man gar nicht! Diese Veröffentlichung hat mir den Rest für den Record Store Day gegeben.
Ich bin raus! So schade das vielleicht um die kleinen Läden sein mag, ich sage Euch aber, ich komme zu anderen Zeiten und mache dann jedoch einen großen Bogen um die Reste vom Record Store Day. Die achso „exklusiven“ Sachen bekommt man nämlich noch Jahre später oftmals im Laden. Oder vollkommen überteuert auf E-Bay oder bei Amazon. Mein sonst sehr empfindliches Sammlerherz blutet dabei nicht mal in Ansätzen! Die LeserInnen, die das hier interessiert lesen, haben meist sowieso einen eigenen gut sortierten Platten-Fundus oder vielleicht sogar wie ich eine Liste mit Releases oder Re-Releases, die sie gern haben wollen. Da braucht es keinen besonderen Tag mit vollkommen überteuerten Preisen für.
Es gibt sowieso Bewegung im System. Auch wenn die Verkäufe von Platten weiter steigen und die Presswerke nicht hinterherkommen, so gibt es doch neue (zumindest für mich neue) Entwicklungen, die verwundern. Gestoßen bin darauf, als ich die von Sandra und Bastian wunderbar erstellten Texte zu Bilderbuch redigiert habe. Das neue Bilderbuch-Album ist nämlich noch gar nicht draußen. Zumindest physisch kann man es nicht kaufen. Aber es gibt schon in allen verfügbaren Online-Musik-Portalen. Sonst hätte Bastian ja auch keine Kritik dazu schreiben können. Die Vinyl-Version kommt erst nächste Woche heraus. Das verändert das Business. Die in meinem Alter wissen, dass man sich früher die Single gekauft hat, dann kam das Album und dann manchmal noch weitere Singles mit interessanten B-Seiten. Die Zeiten sind offenbar vorbei. Zumindest in Ansätzen. Was heißt das jetzt für uns als Vinyl-LiebhaberInnen? Ich würde drei Schlüsse draus ziehen:
1. An der bestehenden Sammlung erfreuen und gezielt ausbauen:
Wer kennt nicht die beeindruckenden Szenen aus High Fidelity, wenn der Protagonist seine Plattensammlungen neu sortiert? Hier kann man sich erfreuen an dem, was man hat. Und vielleicht schauen, was man noch „braucht“. Bei mir ist es so, dass ich in den 90ern viele CDs gekauft habe und nicht so viele Platten. Ich freue mich jedes Mal, wenn eine meiner geliebten CDs auf Vinyl neu erscheint. Die Ärzte beispielsweise geben jedes Jahr eine ihrer alten Scheiben wieder neu auf Vinyl raus. Wunderbar!
2. Macht Euer eigenes Ding:
Viele, die diese Texte hier auf der Seite lesen, machen vielleicht selbst Musik. Und ich sage Euch aus eigener Erfahrung, dass das mit das Beste ist, was man machen kann. Vor allen Dingen, wenn man dann selbst auch was aufnimmt und raushaut. Dann hat man auch ordentlich „abgeliefert“, wenn man diese Formulierung aus „Fleisch ist mein Gemüse“ verwenden mag. Natürlich ist live der Superlativ, aber wann kommt man schon dazu mit Proben und allem Drum und Dran. Vor über 20 Jahren habe ich mit Freunden in einer Band gespielt und wir haben sogar was aufgenommen. Unser Gitarrist Jan hat heute Geburtstag und ihm ist dieser Text und alle dazu gehörigen Videos gewidmet. Und im nächsten Absatz seht Ihr, dass man davon auch über 20 Jahre später noch was von hat, wenn man mal in einer Band gespielt hat.
3. Digital ist besser?
Die neuen Medien und Techniken geben uns ungeahnte Möglichkeiten, die alten Dinge zu konservieren und neu aufleben zu lassen. Wenn man sich früher in ein Tonstudio einmieten musste oder den Freund mit dem Vierspurrekorder bitten musste, mal im Proberaum vorbeizuschauen, so geht das heute fast alles mit einem Laptop und einem guten Mikrofon. Mit Videobearbeitungsprogrammen, Streaming-Plattformen, Internet-Baukasten-Systemen und so weiter geht einiges, wie er in den hier bearbeiteten neuen Arrangements von „Die Helden“ seht. Ob digital besser ist, weiß ich gar nicht. Aber es ist in jedem Fall einfacher 😉. Probiert es aus!
Fazit: Und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
Meine Props gehen daher an alle, die Ihr eigenes Ding machen und „kulturell“ neben Job und Familie „unterwegs“ sind. Ihr macht das Leben bunter. Und seid – im Gegensatz zu einem mittlerweile vollkommen sinnentleerten Record Store Day – die wahren Helden! Respekt, wer´s selber macht, sagt ein Baumarkt immer. Also, macht es zu Eurem Projekt und bleibt dran.
Für Jan wünsche ich nur das Beste und ja ich weiß, dass ich ihn regelmäßig mit alten Aufgüssen zu unserer Band nerve. Ob zur Hochzeit oder zum Geburtstag – jedes Mal zieht der Ben-Rhouma die „Die Helden“-Karte. Aber damit Jan nicht der einzige ist, der sich daran abarbeiten darf, gibt es heut zum Abschluss etwas Besonderes: Normalerweise bin ich ja hier der Kritiker. Und nun könnt Ihr es sein. Das im letzten Jahr noch einmal auf Vinyl gepresste „Die Helden“-Album „In einer Zeit der Wertepluralität ist jetzt bei Youtube. Fühlt Euch frei, es bis ins letzte Detail auseinanderzunehmen! Und schickt mir Eure Kritiken, Verrisse und vernichtenden Urteile. Der Kritiker stellt sich seinen KritikerInnen. Ich veröffentliche sie alle!
Und um noch einmal auf das Thema Platten in gepresster Form zurückzukommen: Jan ist im Besitz von einer frühen Version der "Die Ärzte"-Scheibe „Uns geht´s prima“ und der Platte „Porsche Genscher, Hallo HSV“ von den "Goldenen Zitronen". Hat er von seiner Mutter, glaube ich. Aber ich sage Euch, er sollte mich nie für längere Zeit allein in seinem Haus lassen 😊.
Alles Gute und have Fun!
Das zweite Musikvideo von "Die Helden":
In einer Zeit der Wertpluralität (Cancel Culture Edition 2021)
In einer Zeit der Wertepluralität (Cancel Culture Ediotion 2021)