Vienna Calling und Amore!

Lernen´S ein bissl Geschichte.

 


Prolog:

 

Dieser Text ist meinem Freund Dr. Bastian Loges nachträglich zum Geburtstag gewidmet. Bastian hat einen formidablen Musikgeschmack und ist auch sonst einer der tollsten Menschen, die ich kenne. Auch durch ihn habe ich den Soul von Motown hin zu Charles Bradley und Co. kennen und schätzen gelernt. Seine Wohnung habe ich als stylish eingerichtetes Musikzimmer der 70er Jahre in Erinnerung, samt Interieur – wie beispielsweise einem überdimensionierten stylischem Ledersofa. Jede/r Eirichtungsexperte*In wird dabei neidisch. Eine Band allerdings habe ich erst durch ihn auch wirklich lieben gelernt: Wanda, aus Wien. In meiner Erinnerung haben Bastian und ich uns erst so richtig im Jahr 2002 bei einer Uni-Exkursion nach Wien kennengelernt. Ob er wirklich auch mit war, kann ich heute gar nicht mehr genau sagen. Aber so ist das mit der Geschichte. Manchmal wird sie auch gern im Nachhinein verklärt. Wir beide bleiben aber sonst gern bei historischer Genauigkeit und halten uns an Bruno Kreisky, DEN ehemaligen Kanzler Österreich (über andere Kanzler aus Österreich oder eben aus Österreich stammende Kanzler wird hier trotz aktuellen Anlässen weniger geschrieben): „Lernen´S ein bissl Geschichte. Dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich […] entwickelt hat." Bastian mag keinen Fußball, aber drei versteckte Fußball-Analogien verstecke ich extra im Text für Ihn 😉.

 

Bastian, Amore!

 

PS des Prologs: Beim Schreiben habe ich gemerkt, dass der Text diesmal eindeutig zu lang wird und habe ihn daher in zwei Teile aufgeteilt. Sonst käme „Amore“ zu Kurz :) !“

 

 

Teil 1 – Der Kommissar verunsichert die Maschin

 

Wer sich in den folgenden Zeilen einen historischen Bogen von Udo Jürgens, über DJ Ötzi hin zu Christina Stürmer und Hansi Hinterseer (habe ich erwähnt, dass sein Neffe mal beim HSV spielte?) erhofft, den muss ich leider enttäuschen. Wir haben schließlich Geschmack und Niveau, wobei man vielleicht zumindest Udo Jürgens eine gewisse Anerkennung aussprechen muss. Einer meiner früheren Geschichtslehrer hat gerne in jeder dritten Stunde gesagt: „Das einzige, was die Österreicher je geschafft haben, ist es, der Welt weiß zu machen, dass Hitler Deutscher war und Beethoven Österreicher.“ Politisch sicher nicht ganz korrekt; Deutschland und Österreich hatten in ihrer langjährigen Geschichte immer schon ein spezielles Verhältnis. Nicht erst seit der Ermordung Franz Ferdinands, der zumindest auch Namenspatron für eine grandiose schottische Band wurde, die wir sehr viel im Studium hörten, und natürlich nicht erst seit der „Schmach von Cordoba“. Zwischen beiden Ereignissen gab es noch eine wirklich sehr unschöne Zeit, die aber auch heute noch gerne einzig und allein als Schandtat eines Obergefreiten aus Braunau dargestellt wird. Das betrifft aber in bestimmten Kreisen sowohl Österreich als auch Deutschland. 

 

Wien ist in vielerlei Hinsicht ein Mythos und brachte tatsächlich musikalisch ein paar wunderbare Künsterl*Innen hervor, die aber – spätestens bei Erfolg in Deutschland – immer mit dem einem verglichen werden. 

 

 

Falco: Vienna Calling – Der Kommissar ging um

 

Johann „Hans“ Hölzl wurde 1957 in Wien geboren und starb leider viel zu früh 1998 in Puerto Plata in der Dominikanischen Republik. In seinen 41 Lebensjahren schaffte er aber bis dato eine unfassbare Highlight-Karriere. Falcos Karriere glich einem Rausch, leider war das wohl auch ganz direkt so und über seine Eskapaden schrieben die Gazetten der Welt. Ja, der Welt! Denn auch in den USA hatte Falco mit „Der Kommissar“ durchaus Erfolg. Wie soll man Falcos Musik beschreiben? Im weitesten Sinne ist es Pop. Aber auch Hip-Hop, Experimentelles und später sogar Techno prägten Falcos Lieder. Durchgängig war dabei immer das Image des Wiener Lebensmannes, welches er bis zum Exzess kultivierte. Charismatisch hierfür ist ganz sicher „Vienna Calling“, ein Song bei dem man das Lebensgefühl spürt, das dieser Künstler wie kaum ein anderer so nach außen trug. In Erinnerung bleiben natürlich „Rock me Amadeus“, „Der Kommissar“ und auch „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“. Verstörend dabei ist immer noch der Song „Jeanny“, der über ein Verbrechen an einer jungen Frau handelt. Es ist des Künstlers Freiheit, was er genau damit meinte und bleibt, wie vieles bei Falco, irgendwie im Ungefähren bzw. ist ein Mythos. Wenn man aber auch heute diesen Text noch einmal anhört, kommt einem immer wieder kalter Schauer hoch. Seine ganze Karriere durchwebt irgendwie dieses Unnahbare und schwer zu Durchschauende. Die berühmt-berüchtigte österreichische Boulevard-Presse tat ihr Übriges dazu. Dennoch lässt sich aber auch bei Falco Sozial- und Politikkritik feststellen. Beispielsweise wird in „Männer des Westens“ die unglaubliche Selbstverständlichkeit, die westliche Politiker  (ganz bewusster Verzicht auf´s Gendern!) bei der Gestaltung der Weltgeschehnisse an den Tag legen, angeprangert. Schöne Grüße an Sebastian Kurz vom Kommissar. Vienna Calling: „Wien, nur Wien du kennst mich up, kennst mich down. Du kennst mich. Nur Wien, nur Wien, du nur allein. Wohin sind deine Frauen?“ Die bissige Gesellschaftskritik, die bei Falco vielleicht nur ein Teil war, gehört bei einer anderen Band aus Österreich allerdings zur Kern-DNA. Lasst euch von den nächsten Zeilen bloß nicht verunsichern! 

 

 

EAV: Der Samurai fährt als Märchenprinz zum Banküberfall

 

Die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) habe ich als lustige Blödel-Combo mit bunten Bildern und schrillen Party-Texten aus der ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck in Erinnerung. Kindertauglich und jedes niedersächsische Volksfest freute sich in den 80ern, wenn der DJ „BABABanküberfall“, „Fata Morgana“, „Küss die Hand“ oder „Märchenprinz“ spielte. Wenn man sich mit der Band aber mal näher beschäftigt, dann weiß man zum Beispiel bei letztgenanntem Song, dass sowohl das Publikum wie auch der aus der Provinz angereiste „Märchenprinz“ ihr Fett wegbekommen. Und zwar gewaltig! Ich selbst habe das erst gemerkt, als ich im Auto mit meinem Sohn dachte: „Ach die EAV mochte ich damals als Kind. Ist vielleicht auch was für den Jacob.“ Er kann mittlerweile „Banküberfall“, „Ding Dong“ und „Samurai“ bei den ersten Tönen erkennen. Nur ich musste dann beim intensiven Hören der Texte dann schon sehr schmunzeln bzw. recherchieren. 

 

Geholfen hat 2019 ein Artikel aus der Zeit, der klarmachte, dass die EAV immer eine Band mit hohen politischen Ansprüchen und zynisch-ironischen Texten waren. Man opferte aber diese Ansprüche dem Erfolg und verkaufte sich als bunte massenkompatible Band mit eigenem Comic-Design und bunten Videos. Dennoch: Im Kern bleiben bei den Texten die Botschaften erhalten. So wird in „Samurai“ Sextourismus in Thailand, in „Fata Morgana“ das westliche Überlegenheitsgefühl gegenüber der arabischen Welt und eben in „Märchenprinz“ sowohl die Provinz als Ganzes, aber auch der Vorstädter, der mal eben in die Dorfdisko fährt, um dort die Rolle des Märchenprinzen einzunehmen, messerscharf kritisiert und filetiert. Immer dabei steht das zwischenmenschliche Zusammenspiel im Mittelpunkt der Song – bis zum Exzess in „Ding Dong“ oder „Küss die Hand“. Alles irgendwie in einem halblustigen Ambiente von Betrügereien und Ehebrüchen, immer gepaart mit „Wiener Schmäh“. „Diese Österreicher“, wie es zu Beginn des Videos von „Fata Morgana“ heißt. Bliebe man politisch ganz korrekt, könnte man das alles heute nicht mehr machen! Doch in Wien hält man es mit der geschlechtspolitischen Korrektheit nicht so wirklich bzw. überspielt das eben mit dem Lebensgefühl. Wie ein Bilderbuch wird dieses auch wie bei der gleich so benannten, im folgenden aufgeführten Band hochgehalten.


 

Bilderbuch: Mit der Maschin ins Bungalow und dann ab zum Nahuel Huapi

 

Ich bin kein Experte in Sachen Bilderbuch. Ich kenne nicht den mittlerweile recht gut angewachsenen Album-Kanon der Band intensiv, aber drei Songs haben sich dabei umso mehr bei mir eingebrannt: „Bungalow“, „Mashin“ und „Nahuel Huapi“, die zwar alle einseitig die etwas männlich-toxische Rockstar-Attitüde zu sehr abfeiern, aber auf der anderen Seit auch unfassbar eingängig sind. „Bungalow“ ging mir als immer wieder gespielter Radio-Hit dabei zuerst irgendwann auf die Nerven. „Komm vorbei in meinem Bungalow. Ich hab' Snacks für die Late-Night-Show“ ist schon arg einfach gestrickt, aber die Songzeile „Dann rufst du an auf meinem Handy. Und da bist du wieder Candy“ könnte auch in einem "Liebeslied" von Möchtegern-Gangsterrappern so stehen. Die Band war damit für´s Erste für mich abgehakt. Aber der öffentliche Hype ging weiter und irgendwann hörte ich das davor erschienene „Maschin“ und war hin und weg. Was ein Brett! In jeglicher Hinsicht politisch nicht korrekt, autoverherrlichend und dann auch noch mit Macho-Attitüde? Geht in Wien offensichtlich. So kann man dann auch die Wunschvorstellung haben, dass man allein mit der Band und der Liebsten am offenbar traumhaft-schönen Nauel Huapi, einem See in Argentinien, der gleich als Songtitel dient, eine gute Zeit verbringen kann. Hauptsache die anderen Bandmitglieder singen dann nicht den gleichnamigen Ärztesong „Yoko Ono“! Die Grenzen der zwischenmenschlichen Beziehung hat dann auch in den letzten Jahren eine andere Band aus Wien ausgelotet. Und ging mit dem Debutalbum „Amore“ vielleicht sogar etwas darüber hinaus.


Teil 2 folgt!