Vienna Calling und Amore! Teil 2
„Inside Austria“ – Bologna, die Jelinek und immer wieder der Alkohol
Spiegel Online hat einen neuen Podcast: Zusammen mit „Der Standard“ wird unter dem Namen „Inside Austria“ der Aufstieg von Sebastian Kurz (kurz😎) nachgezeichnet („Schwarz macht geil“). Ich habe noch nicht reingehört, daher weiß ich nicht, ob er auch Maler werden wollte, es nicht klappte und dann beschloss, Politiker zu werden. Aber Nazi-Vergleiche sind auch immer schwierig und die Obsession, mit der sich dort jetzt auch wieder mal über den Aufstieg österreichischer Politiker hergemacht wird, teilen wir hier nicht wirklich. Wir wollten uns ja eigentlich den schönen Dingen des Landes widmen.
Das Motto „Inside Austria“ klingt aber sehr wohl schön. Ein Kenner der Wiener Musik-Szene wird von den Autoren des wunderbaren Buches „Sound of the Cities. Eine popmusikalische Entdeckungsreise „ (Philipp Krohn/Ole Löding 2016) gefragt, wie viel von der Figur Falco eigenständig sei und wie viel aus verschiedensten Einflüssen übernommen und neu zusammengestellt wurde. Die Antwort von Markus Spiegel: „Die Verschmelzung ist eine typische Wiener Angelegenheit. Wir nehmen Dinge nicht so stur, wir nehmen sie nicht so puristisch, wir nehmen es sehr locker. Wientypisch ist ein gewisser Vampirismus. Wenn dir etwas taugt, dann sauge es auf, verarbeite es und mache es zu deinem eigenen. Und dann leg noch ein bisschen Schönbrunn drüber, ein wenig Lokalkolorit. Ja was will man dann denn noch? Ist doch alles da!“ (Seite 209-210).
Nach der Veröffentlichung von „Amore“ von Wanda habe ich diese Scheibe von meinem Freund Bastian Loges zum Geburtstag im November bekommen. Wie so oft bei Plattengeschenken von Bastian dann später stand diese von mir noch nicht gekannte Band auf meiner Anlage und irgendwann hörte ich interessiert rein. Es gibt ein paar Platten in meinem Leben, die mich umgehauen haben. Meistens irgendwas mit Punkrock, manchmal Hip Hop, mal ein Soundtrack oder neuerdings auch mal Soul. Was ich tatsächlich noch nicht dabei hatte vorher, war was mit „Wiener Schmäh“. Ich lernte dann später durch Bastian auch Die Liga der Gewöhnlichen Gentlemen kennen und lieben, erkannte die feinen Unterschiede von International Music und den Düsseldorf Düsterboys (wunderbares Kinderlied) und fand mich auf einmal in Erregung öffentlicher Erregung wieder. Nichts von dem hat mich aber so sehr gepackt wie „Amore“ von Wanda. Und ich frage mich noch heute: Warum?
Kurz gefasst: „Amore“ ist einfach eine Platte wie aus einem Guss. Allein das Cover könnte ein Abbild eines 70er/80er Jahre Familienfotos sein. Ein dicker alter Mercedes, fünf Männer in Lederhosen, einer vorne raucht. Im Hintergrund die Silhouette einer Stadt. Es fehlen nur noch die Schlaghosen. Und dann startet diese Platte mit einem Brett. Ein Opener, der jeden Start in eine Urlaubsfahrt in ein anderes Licht bring – egal, ob man nach Castrop-Rauxel, Oer-Erkenswchick oder eben nach „Bologna“ fährt. Die Songs eins bis sechs kann man dann ohne auch nur ohne einen Ansatz von Bedenken einfach durchhören. Und ich würde schon sagen, das ist etwas Neues. Zumindest für mich gewesen. Eine Einteilung in ein Jenre fällt auch hier schwer. Wie in dem vorher angeführten Zitat ist sehr viel Lokalkolorit drin und Rock, und Falco, und der Humor von der EAV und ähnliche Bilder wie die von Bilderbuch (siehe Teil 1). „Luzia“, „Auseinandergehen ist schwer“ und „Kairo Downtown“ sind einfach Klassiker geworden.
Im ersten Teil dieses Textes habe ich ein Zitat meines ehemaligen Geschichtslehrers wiedergegeben, dass die Leistungen Österreichs aus seiner Sicht beschreibt. Dabei kommt bei mir in diesem Zusammenhang gleich eine andere Schulerinnerung hoch. Leider. Im Deutsch-LK haben wir „Kasper“ von Peter Handke gelesen. Schlimmes Buch. Schlimme Geschichte. Von Elfriede Jelinek habe ich noch nichts gelesen. Aber der Song „Jelinek“, gleich Lied 2 auf „Amore“, macht schon irgendwie Lust darauf. Man könnte die Leistungen Österreichs dann auch derart weiter aufzählen: Zwei neuzeitliche Literaturnobelpreisträger*Innen, ein bekannter Psychoanalytiker und ein verhinderter und verschmähter Maler, der auch mal ein Buch geschrieben hat (hierzu habe ich vor längerer Zeit schon mal was geschrieben. Zu aktuellen Eindrücken dazu werft gern mal einen Blick auf meine Glosse „Post(-ing) von Ben-Rhouma“). Hätte man mal lieber seine Bilder als Kunst anerkannt! Wanda müssen sich jedenfalls darüber keine Sorgen machen. Mit dem Erstling „Amore“ haben sie den Durchbruch schon so geschafft.
Von „Amore“ könnte man alle Songs aufzählen. Es sollen aber nur noch drei in der Besprechung folgen: „Schick mir die Post“ ist seit dem …but Alive-Song „Mein Skateboard kriegt Zahnarzt“ das wunderbarste Lied, was ich kurz vom imaginären Ableben gehört habe. Und „Stehengelassene Weinflaschen“ und „Ich will Schnaps“ sind so charakteristisch für Wanda wie wenig anderes. Es geht bei Wanda auch immer um Alkohol. Den Suchthinweis und dass das nichts für Jugendliche und so ist, erspare ich uns in Ausführlichkeit. Aber das Thema zieht sich durch alle drei folgenden Platten.
Mit Bastian bin ich mir in einer Sache hierin bei Wanda einig: Nach „Amore“ folgten drei weitere Alben und eine Liveplatte mit dem Titel „Amore meine Stadt“. Keines ragt in Gänze an „Amore“ auch nur ansatzweise ran. Aber auf jedem sind schon immer wieder einzelne ganz tolle Songs drauf. Um einen Werküberblick zu bekommen, nenne ich mal zu jedem Album einen davon. Seht sie einfach als Anspieltipps: „Meine beiden Schwestern“ („Bussi“), „Columbo“ („Niente“) und die „Swing Shit Slide Show“ („Ciao!“). Und egal wie man zu den drei Alben steht, jede dieser Scheiben ist umso vieles besser, als das, was sonst so an deutschsprachiger Musik in der Regel so für die Charts rauskommt. Aber wenn es nur ein Album von Wanda sein soll, dann „Amore“!
Die beiden letzten Veröffentlichungen „Jurassic Park“ und „Die Sterne von Alterlaa“, das von einem Wohnviertel in Wien handelt, lassen sich aber auch gut hören, um reinzukommen in „Inside Austria“. Eine Sache möchte ich aber am Ende festhalten, lieber Bastian: Wir werden diese Band noch einmal zusammen live sehen! Auch wenn es dann irgendwann das Letzte ist😉: Um es mit „Amore“ zu halten: Schickt mir die Post schon ins Spital und lass uns Wanda vorher sehen!
Fazit - und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
„Lernen´S ein bissl Geschichte. dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich […] entwickelt hat.", dieses Eingangszitat dieser beiden Texte ist der Jingle eines Podcasts von zwei Historikern aus Österreich (mal was anderes, 2 weiße Männer zwischen 30 und 50 machen einen Podcast😉), die immer wieder „Geschichten aus der Geschichte“ diskutieren. Der eine erzählt dem anderen über ein historisches Ereignis und dann wird drüber gesprochen. Ein schönes Format.
Zum Ende greif ich dieses Konzept kurz auf. Marco Wanda, der Sänger von Wanda, hat früher gerne ein Trikot von Jürgen Klinsmann getragen, wollte Fußballer werden und wurde aber für Ersteres angefeindet. Ich empfehle zur Abwechslung das Trikot des größten österreichischen Fußballers (nicht Andreas Herzog oder Toni Polster) Gudio Burgstaller, vom FC St. Pauli. Die beiden passen auch optisch ganz gut zueinander und wenn der Guido zusammen mit Wanda mal ein Video macht, dann bringt mir Averna, Schnaps und ich lasse keine Weinflasche mehr stehen!
Amore!