Die Die Ärzte auf dem Tempelhofer Feld – Ist das Alles?
Fast eine Woche ist das dritte bzw. zweite Konzert von Die Ärzte auf dem Tempelhofer Feld nun schon her und der Papa ist immer noch beseelt. Wie ich schon an anderen Stellen schrieb, ist mein Die Ärzte-Fan-Sein irgendwann mit 19 erkaltet. Jetzt über 20 Jahre später fühle ich mich „Wie ein Kind“ bzw. bin wieder voll in der „Teeangerliebe“ zu Die Ärzte. Das Gefühl war schon irgendwie mit dem Album „Hell“ zurückgekommen, „Dunkel“ hat es dann etwas vertieft, obwohl ich hier zuerst etwas kritisch war. Und auch wenn man im Internet alles auch wieder ändern kann, so soll meine etwas kritische Sichtweise auf Dunkel so stehen bleiben. Aber was wirklich wieder einen totalen Flashback gibt, ist ein Live-Konzert von Die Ärzte. Das 16-jährige Ich schlägt immer noch massive Purzelbäume. Klar ist das Eskapismus vor der realen und grausamen Welt, aber wenn man sich einen Eskapismus aussuchen kann, dann sind 3 Stunden Die Ärzte mit das „Beste von kurz nach früher bis jetze“, was man an „Puh, das war harter Stoff“ kriegen kann.
Und damit kommt auch schon wirklich das große Problem einer auch nur in Ansätzen objektiven Konzert-Kritik eines pseudo-seriösen Kritikers: Was soll man dazu denn noch schreiben? Alle knapp 60.000 Menschen die da waren, wissen, was ich meine. Ich würde sagen, dass die Band mit ihren Tempelhof-Konzerten und dem Abschluss ihrer Berlin-Tour endgültig den Rock-Olymp erreicht hat. Leider fiel das erste der Tempelhof-Konzerte aufgrund einer Unwetter-Warnung aus. Und auch beim zweiten war lange Zeit unsicher, ob es stattfinden kann. Fand es aber und auch das am Sonntag, zu dem ich mich mit meinen lieben niederländischen Kollegen-Kumpel Mick „van der Saar“ Chattellon aufmachte. Mick hatte die Karte auf dieser Seite bei einem Gewinnspiel gewonnen und entgegen anders lautender Gerüchte, werden diese Gewinne auch eingelöst. Also macht beim nächsten Mal mit😉. Ein paar Tage vorher war ich mit Gerald bei Seeed und da haben wir ernsthaft darüber diskutiert, wer denn wirklich DIE Berliner Band sei. Spätestens nach diesem Konzert auf dem Tempelhofer Feld ist die Sache mehr als klar. OK, war es für mich vorher auch. Die Ärzte sagen es ja selbst: „Wir sind die Besten“. Ist auch wirklich so.
„Wir kümmern uns um den Rock!“, singen die Die Ärzte in „TCR“, einem der wenigen Gassenhauer auf dem Album „Auch“. Wobei ich tatsächlich sagen muss, dass sich bei dem Album meine Kritik langsam abebbt. Selbst hier findet sich nach mehrmaligem Hören dann doch noch die ein oder andere Überraschung. Ich finde sogar mittlerweile „M&F“ ziemlich gut.
An diesem Sonntag in Berlin kann man jedenfalls einfach sagen, dass Bela, Farin und Rod einfach mal 60.000 Menschen glücklich gemacht haben. Und das den Abend vorher auch. Hätte das erste Konzert stattgefunden, hätten wir sogar insgesamt 180.000 glückliche Menschen in Berlin gehabt, zumindest für drei Stunden, aber das ist in Berlin auch schon ne ganze Menge. Und was für ein Publikum das war! Alle Generationen vereint. Eltern mit Kindern. Sechzigjährige, die selbst in der Generation der Band sind. 15-Jährige, deren erste Konzerte das vielleicht waren. Es ist unbeschreiblich, was die Band mittlerweile für einen Fan-Kreis hat. Die Ärzte sind der gemeinsame Nenner! Und irgendwie haben die „Superdrei“ eine neue Stufe erreicht. Elder Rock Statesmen, die so dermaßen in Shape sind, dass man denkt, was nehmen die nur für Zeug. Ich will das auch! Und bei den Songs kann man so dermaßen aus dem Vollen schöpfen. Und die sind – neben den Sprüchen, von denen es mittlerweile mehrere auch auf CD gebrannte Ansammlungen gibt – einfach das Beste der Band.
Ohne auch nur ansatzweise einen vollständigen Einblick in die Playlist des Abends geben zu können, möchte ich nur mal meine persönlichen Highlights anführen: Songs, die ich vorher OK fand, haben noch einmal einen richtigen Boost nach diesem Konzert für mich bekommen: So war es mit dem Opener „Himmelbau“, der einstigen Single-Auskopplung „Wie es geht“ oder dem obskuren „Erna. P.“, die wohnt nämlich Parterre! Dazu kamen natürlich die Klassiker aber auch einige Besonderheiten wie zum Beispiel „Sommer, Palmen, Sonnenschein“, das die Band seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt hat. Highlights waren sicher der „Schrei nach Liebe“, „Unrockbar“, „Junge“, aber auch der „Schunder-Song“ und die erste Strophe von „Madonnas Dickdarm“. Von den neueren Alben wurde wenig gespielt. Bei der zweiten Zugabe gab es bei „Dunkel“ vom gleichnamigen Album nur wenig Mitgesang der Meute. Das braucht noch etwas Zeit. Aber „Noise“ oder „Ich, am Strand“ rockten schon ganz ordentlich. Die komplette Playlist findet Ihr hier.
Ein echtes Highlight war für mich „Kamelrallye“, was von Rod gesungen wurde. Ich finde die Version mit Sahnie zwar besser, aber ich weiß gar nicht, ob man das sagen darf (die echten Fans wissen, was ich meine). Was nicht gespielt wurde, ist nach dem Konzert zum absurden Politikum geworden. Ich hatte es schon während des Konzerts bemerkt, als einige Fans nach „Elke“ schrien. Ich drehte mich zu ihnen und sagte: „Ne, wir haben 2022, das spielen die nicht mehr.“ Daher habe ich auch nicht gehört, dass Farin wohl was Ähnliches von der Bühne sagte. Im Nachgang hatte sich im Netz hierzu eine Debatte über Cancel Culture entwickelt. In „Elke“ geht es um eine sehr dicke Frau, die von der Band beleidigt wird. Angeblich ist die Story dahinter, dass die Band von zwei Frauen mehr oder minder telefonisch gestalked wurde und Farin ihnen sagte, dass er das nächste Mal einen Song über sie schreiben würde. Haben se dann auch jemacht. Und jetzt hat die Band entschieden, dass sie den Song heute nicht mehr spielen wollen und es gibt eine Cancel Culture-Debatte dazu. Ernsthaft? Das Thema ist ein absoluter No-Brainer und wenn es eine Band gibt, die sich nie etwas hat vorschreiben lassen, dann sind es wohl die Die Ärzte! Aber: „Lass die Leute reden…“.
Abschließend bleibt noch zu sagen, dass das Tempelhofer Feld wirklich sehr, sehr groß ist. Wir wissen es, denn wir sind es zweimal abgelaufen😉. Das man da nicht noch Platz für ein paar Wohnungen findet, absurd😊. Und auch beim Thema Umweltschutz hat die Band an nichts gespart. Das Konzert war, genau wie das Konzert von einer anderen Band aus Düsseldorf eine Woche vorher, quasi klimaneutral produziert. Am Ende passt auch das zu Die Ärzte, da sie vor der letzten Wahl tatsächlich zur Wahl von Die Grünen aufgerufen hatten. Mick und ich halten aber fest: Auch als Sozi und Gewerkschafter darf man auf die Umwelt achten!
…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später:
Das Fazit fällt heute sehr kurz aus. Die Band hat einen neuen Zenit erreicht und ist gereift. Erwachsen geworden sind sie aber immer noch nicht. Beruhigend irgendwie und sowohl konstant wie auch konsequent. Man möchte sich jetzt fragen: „Ist das Alles?“. Aber wer bin ich, das zu beantworten? Wenn sie weiter solche Konzerte spielen, können sie auch 10 bis 15 Jahre so weitermachen. Ich komme wieder, keine Frage. Und für meine FreundInnen Robert, Steffi und die anderen knapp 60.000 Menschen, die das Konzert am Freitag wegen des Unwetters nicht sehen konnten, gibt es bald noch ein echtes Schmankerl: Es wird gerade die ultimative Die Ärzte-Playlist erstellt und wenn er Ihr noch Wünsche habt, meldet Euch gerne!
Ihr seid Rockbar. Anis Loves You!
PS: Wenn Ihr Euch wirklich noch einmal intensiv mit Die Ärzte beschäftigen wollt, empfehle ich diese beiden Podcasts: In "Ein Lied für Dich" werden die Songs besprochen und "Diese eine Liebe" vom Radio Eins ist ein wahrer Hochgenuss.
In den See, Du Opfer!