The Mighty Mighty Rantanplan – Madness im Cottbusser Gladhouse: Wenn die Revolution nicht tanzbar ist, dann bin ich nicht mit dabei!
Mein Freund Alex hat mir vor kurzem die Two Jonnies präsentiert. Zwei Podcaster aus Irland, die auch Musik machen und mit dem Song „The Gaa, The Ska and the RA“ mehr als einen langwierigen Ohrwurm geschaffen haben. Lange denke ich schon über dieses Lied nach. In dem Lied geht es um ein Mädchen, dass der Protagonist kennenlernt. Sie liebt den Ska, die Irish Football and Hurling Organisation GAA, aber leider hat ihr Vater ein schwieriges Geheimnis: Er ist wohl Mitglied der IRA!
Auch wenn der Vergleich vielleicht etwas hinkt: Stellt Euch vor, Ihr lernt jemanden kennen. Einen wunderbaren Menschen, in den Ihr Euch verliebt, der Ska und Punk mag, St. Pauli-Fan ist, aber der Vater ist in der AfD – und zwar Stadtrat in Forst, Nähe Cottbus, an der polnischen Grenze. Abstruser Gedanke vielleicht, aber zu Eurer Beruhigung gäbe es da jedenfalls eine kleine deutsche Kapelle, die darüber ein Lied machen könnte: Rantanplan aus Hamburg würden mit „Das Mädchen aus Forst“ wohl eine ebenso wunderschöne musikalische Komposition schaffen können wie die Two Jonnies und man würde das ganze Welt-Elend für eine gewisse Zeit vergessen. Zumindest haben sie das bei mir für satte zwei Stunden im Cottbusser Gladhouse geschafft!
Rantanplan sind eine Hamburger Ska-Punk-Combo, gegründet Mitte der 90er im Umfeld der Punkband …But Alive, die – wie hier schon mehrfach beschrieben – mit einem Song diesem kleinen Blog hier seinen Namen bescherte. Irgendwo angesiedelt zwischen den Mighty Mighty Bosstones, die als klares Vorbild benannt werden, und der Band Madness. Etwas punkiger dafür, aber immer mit den Ska-typischen cleanen Gitarrenrhythmen und dem prägnanten immer wiederkehrenden Sprechgesang in Abwechslung mit Chorus-Melodien von Bandgründer Torben Meissner. Dazu Bass, Schlagzeug und – das war in den 90ern zumindest für mich neu – einer Bläser-Combo aus Posaune und Trompete. Und was soll ich sagen? Diese Combo, als ich sie das erste Mal irgendwo in der niedersächsischen Provinz so ca. 1996 gesehen habe, war in dieser Zusammensetzung einfach eine Macht.
Mighty Mighty wird es wahrlich bei Rantanplan, wenn neben der Rhythmus-Fraktion auf einmal die Bläser*innen auf die Boxen steigen und mit Posaune und Trompete ins Publikum gerichtet den Songs noch einmal so richtig Wumms verleihen! Seitdem bin ich Fan-Boy, um auch hier die Richtung dieser folgenden „Kritik“ schon einmal vorwegzunehmen.
Die Besetzung der Band ist eine Endlosgeschichte. Das einzige noch aktive Gründungsmitglied ist Torben Meissner, der die Karre seit eh und je durch die Lande zieht und sich immer wieder in Hamburg neue Leute sucht, die mitziehen – ganz getreu dem alten Rantanplan-Album-Titel „Junger Man zum Mitreisen gesucht“. Ein bisschen auch wie der in mehreren Rantanplan-Songs besungene Che Guevara, der es schafft, auch in ihm folgenden Generationen die Revolution einzupflanzen. Commandante Torben hat jetzt auch wieder einen Schlagzeuger, einen Bassisten, einen Posaunisten und diesmal eine junge Frau, die Trompete spielt, mitgeberacht, um den Lausitzern im Gladhouse die Revolution beizubringen. Und wenn diese nicht tanzbar ist, dann ist Rantanplan nicht dabei, wie es in „Revolution (Emma G.)“ heißt.
In Cottbus ist sie das aber! In einem unfassbar abwechslungsreichen Zwei-Stunden-Set ist die Band einfach einmal quer durch ihre Geschichte gegangen und die hört sich live so gut an, dass es mittlerweile sogar schon zwei Live-Alben gibt. Auf die Fragen von Commandante Torben, ob das Publikum alte oder neue Songs hören will, gibt es zwiespältige Antworten. Und so spielen sie halt alt, neu, alt, neu, neu, alt, alt. Aus nostalgischen Gründen ist zumindest bei mir die Freude über „alt“ immer etwas größer: „Durch die Nacht fällt Schnee“; „Jeder so wie er kann“ und natürlich „Unbekanntes Pferd“ kann ich immer hören. Aber auch die Songs vom neuesten Album „Ahoi“ oder „Wir sind nicht die Onkelz“ von 2013er-Album Pauli sowie „Kiel“ und „Schattenmensch“ von „Licht und Schatten“ (2017) passen perfekt ins Arrangement. Rantanplan haben mittlerweile eine so breite Auswahl an Songs aus zehn Studioalben, EPs und Singles, dass man wohl fünf Abende damit bespielen könnte und immer noch nicht alles gehört hat.
Aber neben der Musik sind es vor allem Dingen auch in diesen Zeiten die politischen Statements die Commandante Torben unter das Volk bringt. Es klingt wie aus einer vergessen Zeit, wenn er in drei Songs im Rahmen einer kleinen Che Guevara-Trilogie über ein besseres solidarisches Leben singt. Auf den Alben selbst muss man sehr viel nachlesen! Vertonte Gedichte von Brecht, Nietzsche und Rilke („Der Panther“!!!) gehören genauso zum Repertoire wie Geschichten über vergessene Revolutionäre und Widerstandskämpfer*innen. Dem Wohnungswahnsinn haben sie schon auf dem Album „Köpfer“ mit „Ghettoarchitekt“ 1998 den Krieg erklärt und natürlich durchzieht der Antifaschismus ("AntiFaFanclub"!!!) alles. Womit wir wieder beim Thema „Mädchen aus Forst“ und AfD angekommen sind.
Die Lausitz und ihre Menschen zeigte sich im Gladhouse von ihrer besten Seite. Hier gibt es Antifaschismus, hier gibt es progressive neugierige Menschen, hier gibt es linke Protestkultur. Hier gibt es alternative Jugendkultur. Aber das andere eben auch. Commandante Torben zieht seit Mitte der 90er unerschrocken mit seiner Band durch die Lande, um dagegenzuhalten und Menschen damit zu stärken, was Rantanplan am besten kann: Schönste tanzbare Melodien, klare politische Botschaften und Hymnen für eine bessere Zeit. Bitte weitermachen Commandante. Rantanplan: Thu den Ska!
…und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später
Nach dem Konzert habe ich immer wieder gesagt „Ich bin beseelt“ und das lag sicher nicht nur am „Spaten“-Helles vom Fass zu Punkrock-Preisen im Gladhouse. Nach ein wenig Nachdenken über den Abend bin ich nicht nur immer noch beseelt, sondern auch versöhnt! Als Fan-Boy der ersten Stunde hatte ich immer den tiefsten Wunsch, Rantanplan noch einmal zusammen mit Marcus Wiebusch von jetzt Kettcar (muss man das erwähnen?) zu hören. Wiebusch hat auf den ersten beiden Rantanplan zusammen mit Torben gesungen und die Abwechslung dieser beiden Stimme war für mich die High Class der Beletage! Und mutig, wie ich den Abend war, sprach ich den Posaunisten am Abend am Merch-Stand noch einmal an. „Als ich Rantanplan das erste Mal sah, warst Du wohl nicht geboren“, sagte ich in der Hoffnung, das dem nicht so ist. Leider war es aber doch so😊. Und dann noch der Wunsch: „Rantanplan noch einmal mit Wiebusch sehen. Das wäre mein Traum!“. Er gäbe es weiter, aber „Schwierig!“ Aber vielleicht ist mein nostalgischer 90er-Modus auch vollkommen unangebracht und sogar „cringe“? Wenn man die Combi Wiebusch/Meissner hören will, kann man auch einfach die ersten Alben im Original hören. Und auch alle dann folgenden. Und diese Empfehlung kann ich Euch am Ende nur geben! Und geht zu den noch ausstehenden Konzerten. Die Hälfte der Tour ist gerade rum und Rantanplan spielen immer irgendwo in Eurer Nähe.
Es folgt, einer der prägnantesten Songzeilen, die ich je von einer Punkband gehört und damals im Textbuch (da gab es noch kein Internet!) haarklein rauslesen musste:
„Mein Kumpel trägt Chucks gegen Fußfetischisten. Ich organisiere Kirchenbasare gegen Jahresende, ersetz das Verb vom letzten Satz gegen „onaniere auf“ und das ist Atheismus, wie er sein muss!“ Klingt aber vertont noch viel schöner als geschrieben. Hört mal rein!